Katholische Kirche:Bischof in Bedrängnis

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Bisher hatte der Regensburger Bischof Ludwig Gerhard Müller bei Gläubigen vor allem Frust verbreitet - nun aber erweist sich seine Amtsführung als verhängnisvoll. Er hat ganz offensichtlich die Leitlinien der Kirche missachtet

Matthias Drobinski

Er hat die Teilnahme an der europäischen ökumenischen Versammlung im rumänischen Sibiu abgesagt und die Vorstellung seines Buches über die Theologie Papst Benedikts verschoben, er hat erklärt und erklären lassen, dass das Bistum den Opfern helfen werde. Zeichen, die sagen sollen: Gerhard Ludwig Müller, den Regensburger Bischof, trifft der Fall bis ins Mark.

Bischof Gerhard Ludwig Müller: Oberster Kirchenherr in Regensburg ist in Bedrängnis. (Foto: Foto: dpa)

Einer seiner Pfarrer ist verhaftet worden, weil er mindestens einen Ministranten über Jahre hinweg sexuell missbraucht haben soll. Das allein ist schlimm genug.

Doch dass der Geistliche im Jahr 2000 wegen des gleichen Delikts zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde und dann drei Jahre später wieder in eine Gemeinde kam, bringt einen der umstrittensten Bischöfe Deutschlands in arge Bedrängnis.

Sicher ist der Fall kompliziert: Der Pfarrer hatte die Bewährungszeit ohne Rückfall überstanden, ein Gutachten kam zu der Auffassung, dass der Mann nicht fixiert pädophil sei und dass keine Gefahr mehr von ihm ausgehe. Aber Gutachter können irren, und deshalb legen die Leitlinien der deutschen Bischofskonferenz über den Umgang mit sexuellem Missbrauch fest: Geistliche werden "nach Verbüßung ihrer Strafe nicht mehr in Bereichen eingesetzt, die sie mit Kindern und Jugendlichen in Verbindung bringen''. Informiert wurde in der betroffenen Gemeinde niemand. Und schon vor zwei Jahren gab es einen Verstoß gegen die Leitlinien, als bei einem Missbrauchsfall in Falkenberg der Gang zum Staatsanwalt unterblieb.

So drängt sich die Frage auf, ob Bischof und Bistumsleitung im Bestreben, immer und überall nur ihre persönlichen Maßstäbe gelten zu lassen, nicht einen fürchterlichen Fehler begangen haben. Denn kein anderer Bischof in Deutschland leitet sein Bistum so sehr im Bewusstsein, unmittelbar vor dem lieben Gott die maßgebliche Instanz zu sein; Kritiker werfen Müller eine übersteigerte Amtstheologie vor. Wer den Bischof kritisiert, wendet sich nicht einfach gegen eine bestimmte Politik - er stellt in des Bischofs Augen das Amt und damit die ganze katholische Kirche infrage.

Vielzahl von Konflikten

Dieses Verständnis hat seit Müllers Amtsantritt im November 2002 zu einer Vielzahl von Konflikten geführt, die nirgendwo sonst in dieser Schärfe und Skurrilität ausgefochten werden. Müller setzte den Deggendorfer Dekanatsrat Johannes Grabmeier ab; der päpstliche Nuntius in Berlin musste die Affäre beenden. Manchmal wird es lächerlich, zum Beispiel, wenn ein Dekret im Amtsblatt verbieten möchte, bei innerkirchlichen Streitigkeiten weltliche Gerichte anzurufen. Wenn es aber um die Zwangsversetzung oder Maßregelung unbotmäßiger Pfarrer geht, regiert oft die Angst im Bistum. Denn häufig geht es nicht nur um die Sache, sondern auch um die handelnden Personen.

So auch bei der bundesweit bislang bedeutsamsten Auseinandersetzung um die Laienvertretung im Bistum: Fritz Wallner, der Diözesanratsvorsitzende, war dem Bischof zu wenig auf Linie - kurzerhand ersetzte er das bisherige Gremium durch zwei neue und ließ sich vom damaligen Leiter der Kleruskongregation, Kardinal Hoyos, bestätigen, dass dies vorbildlich für ganz Deutschland sei.

Nur: Von den deutschen Bischöfen, ob konservativ, ob liberal, ist ihm da niemand gefolgt; im Gegenteil, sie haben erklärt, dass sie die gegenwärtigen Strukturen der Laienvertretung für richtig halten. Überhaupt hat sich Müller durch die zahlreichen Konflikte zum Außenseiter unter den Bischöfen gemacht; die Frage, ob Müller, der einmal als hoffnungsvolles Talent galt, noch Erzbischof von München werden kann, gilt den meisten Beobachtern jetzt als mit nein beantwortet.

Eine Meute von Feinden

Viele Bischöfe verdrehen regelrecht die Augen, wenn die Rede auf den Amtsbruder aus Regensburg kommt. Andere rätseln, wieso der Zwei-Meter-Mann, der am 31. Dezember 60 wird, so unterschiedliche Gesichter haben kann: Auf der einen Seite ist er der weltweit anerkannte Theologe, befreundet mit dem Befreiungstheologen Gustavo Gutierrez. Er dient in Peru als Aushilfspfarrer, er kann ausgesprochen hilfsbereit und charmant sein. Auf der anderen Seite treibt ihn das Gefühl, von den Medien und innerkirchlichen Kritikern verfolgt zu sein und sein Kirchenbild gegen eine Meute von Feinden verteidigen zu müssen - bis hin zur Beratungsresistenz.

Wenn es um die Kirchenverwaltung geht, mag das frustrierend für die Katholiken im Bistum sein; wenn es aber um sexuellen Missbrauch geht, wird es gefährlich. Wie unprofessionell das für die katholische Kirche hochheikle Thema in Regensburg behandelt wird, zeigt sich gerade am Fall des Pfarrers K. aus Riekofen. Die Bischöfe beschlossen 2002, in jedem Bistum einen Arbeitsstab aus Kirchenleuten, Psychologen, Ärzten zu bilden - es gibt ihn auch in Regensburg, aber das Gremium hat noch nie gemeinsam getagt.

Am Dienstagabend trat die Ordinariatskonferenz zusammen; der Missbrauchs-Fall wurde noch nicht einmal angesprochen. Und der Gutachter, der dem Priester die Ungefährlichkeit bescheinigt hat und auf den das Bistum immer wieder verweist, ist - der Therapeut des Mannes. Eine unabhängige Meinung holte das Bistum nicht ein.

© SZ vom 13.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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