JVA Straubing:Therapeutin von Häftling vergewaltigt

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Stundenlanges Martyrium: Sieben Stunden war die Frau in der Gewalt des Geiselnehmers. Nach bisherigen Erkenntnissen wurde die 49-Jährige mehrfach missbraucht.

Max Hägler

Es gilt als das sicherste Gefängnis in Bayern. Berührungsempfindliche Zäune registrieren in der Justizvollzugsanstalt Straubing (JVA) jeden Ausbruchsversuch. Radaranlagen kontrollieren auch in der Nacht jede Bewegung auf dem Gelände, und schließlich dürfte die sechs Meter hohe Mauer jeder Flucht ein Ende bereiten.

(Foto: Foto: dpa)

Doch sosehr das Hochsicherheitsgefängnis seine Schwerverbrecher vor der Gesellschaft abschirmt, so angreifbar ist die Anstalt nach innen, wie in der Nacht zum Mittwoch eine 49 Jahre alte Psychologin erleben musste.

Am späten Nachmittag saß sie wie üblich in ihrem Büro in der sozialtherapeutischen Station. Roland K. ist Sexualstraftäter, hat vergewaltigt und eine 25 Jahre alte Frau umgebracht. Gerade deswegen hatte er Zutritt zu dieser Station. Doch an diesem Dienstag hatte er anderes im Sinn als die Haftroutine, die er seit mehr als 24 Jahren ununterbrochen erlebt.

Plötzlich bedrohte er die Psychologin mit einem Messer unbekannter Herkunft und fesselte sie. Dann sperrte er sich mit der Frau in deren Büro ein - und missbrauchte sie wohl mehrmals sexuell, wie Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) am Tag danach berichtet.

Mehrere Stunden lang hatte Roland K. die Geisel in seiner Gewalt. Ein Verhandlungsteam nahm unmittelbar nach der Alarmierung Kontakt mit dem Täter auf. Die einzige Forderung war dem Vernehmen nach, eine Brieffreundin sprechen zu dürfen. Der Psychologe des Straubinger Gefängnisses brachte den Geiselnehmer schließlich gegen 0.30 Uhr zum Aufgeben.

Als Roland K. sein Opfer aus dem Büro gehen ließ, schien der Abend glimpflich verlaufen zu sein. Dass es anders war, merkten die Einsatzkräfte erst einige Momente später. "Wir müssen von massiven seelischen Verletzungen bei dem Opfer ausgehen", sagte Merk.

Der Täter soll nun in eine andere Justizvollzugsanstalt verlegt werden, er muss mit weiteren 15 Jahren Gefängnis rechnen. Justizministerin Merk kündigte zudem an, die Hafträume in bayerischen Gefängnissen häufiger kontrollieren zu lassen. Bislang ist das einmal im Monat der Fall.

Schon einmal, Mitte der achtziger Jahre, hatte Roland K. einen Gefängnisbediensteten als Geisel genommen, sagte Matthias Konopka, Leiter der JVA Straubing. In den letzten Jahren allerdings habe er sich "unauffällig" verhalten und sei auch seiner Arbeitspflicht voll nachgekommen. Mit Eröffnung der sozialtherapeutischen Abteilung im Sommer 2004 begann der mehrfache Vergewaltiger Roland K. dann auch eine Therapie. Die Leiterin war sein jetziges Opfer.

Seit die JVA Straubing vor mehr als hundert Jahren als Königliches Zuchthaus eingerichtet wurde, beherbergt sie die schweren Fälle. Derzeit sitzen etwa 800 Männer, darunter 200 "Lebenslängliche" in dem Hochsicherheitsgefängnis. Darunter auch viele Gewaltverbrecher, die offenbar selbst hinter Gittern nicht zur Besinnung kommen: Im vergangenen Oktober kam es unter Russlanddeutschen zu einer wüsten Auseinandersetzung, bei der ein 34 Jahre alter Mann niedergestochen wurde.

Der verurteilte Haschischdealer überlebte den Angriff seiner Mithäftlinge nicht und starb eine Woche später im Krankenhaus. Woher die Waffe stammte, ist auch in diesem Fall noch nicht völlig klar.

Die Tür war immer offen

Im September 1993 versuchten zwei Häftlinge in Straubing, einen Müllraum mittels Nitroverdünnung anzuzünden. Die beiden Männer, ein Vergewaltiger und ein Mörder, wurden im Gefängnis zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.

Damit es zu möglichst wenigen derartigen Zwischenfällen kommt, arbeiten in dem sternförmigen Gefängnis mehr als 300 Vollzugsbeamte. Und dazu eben auch Psychologen, wie das jetzige Opfer des Geiselnehmers. Für die kommenden Tagen würden diese Maßnahmen vorerst ausgesetzt, kündigte Anstaltsleiter Konopka am Mittwoch an. Jetzt sei die falsche Zeit für solche Therapiegespräche. "Wir erleben eine Betroffenheit bei unseren Angestellten, aber auch bei unseren Häftlingen", berichtet der Anstaltsleiter. Und auch das Konzept der Therapieabteilung wird künftig vielleicht überdacht. "Bislang war die Tür zur Abteilungsleiterin offen für jeden."

© SZ vom 09.04.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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