Justizposse in Nürnberg:Vier Wochen Haft wegen Ehrlichkeit

Lesezeit: 2 min

Einen Monat saß ein Familienvater in Untersuchungshaft. Er sagte als Zeuge die Wahrheit, doch die Staatsanwaltschaft glaubte ihm nicht.

Max Hägler, Nürnberg

Es ist hohe Dialektik, mit der das Oberlandesgericht Nürnberg am Wochenende zu retten versuchte, was eigentlich nicht mehr zu retten war. Seit beinahe vier Wochen saß zu diesem Zeitpunkt bereits der zweifache Familienvater Stefan Schober im Gefängnis - weil er angeblich als Zeuge gelogen hatte in einem Gerichtsverfahren wegen eines beschädigten Autos. Es ging um einen Schaden von 2500 Euro.

Vor der JVA Nürnberg: Gemeinsam mit Arbeitskollegen hat Elke Schober noch am Donnerstagabend für die Freilassung ihres Mannes demonstriert (Foto: Foto: dpa)

Er wolle damit einen Kollegen schützen, behauptete die Staatsanwältin und ließ ihn in Handschellen aus dem Gerichtssaal führen. Am Freitag teilte die Justizpressestelle mit, es habe eine "überraschende Wendung" gegeben in der Sache. Laboruntersuchungen hätten klar gemacht, dass Schober in keiner Weise in den Unfall verwickelt sei. "Die Zeugenaussage des inhaftierten Kraftfahrers, wonach er keinen Unfall bemerkt haben will, stellt sich damit insoweit nicht mehr als unrichtig dar." Zu Deutsch: Vier Wochen saß der Mann in Untersuchungshaft, weil er als Zeuge die Wahrheit gesagt hatte, ihm die Staatsanwaltschaft aber nicht geglaubt hatte.

In der Verhandlung am 6. Oktober vor dem Amtsgericht Schwabach ging es um eine mögliche Fahrerflucht, die Schobers lenkender Arbeitskollege verursacht haben soll. Auf der Fahrt zu einer Küchenmontage sollen die beiden ein Auto beschädigt haben. Beide gaben an, keinen Unfall bemerkt zu haben. Doch die Staatsanwältin glaubte der Aussage eines anderen Zeugen, wonach Schober gar nicht im Führerhaus gesessen hat. Und auch ein Sachverständige erklärte, der Unfall sei "mit hoher Wahrscheinlichkeit" von dem Lastwagen verursacht worden. Als Schober jedoch darauf beharrte, nichts bemerkt zu haben, wurde er wegen des "dringenden Verdachts der uneidlichen Falschaussage" aus dem Zeugenstand heraus festgenommen.

"Sehr bös auf unseren Rechtsstaat"

Das Vorgehen der Nürnberger Justiz hatte die ganze Firma Schobers erzürnt. Noch am Tag vor der überraschenden Freilassung waren die Arbeitskollegen und Schobers Ehefrau in zwei Bussen nach Nürnberg gereist und hatten für die Freilassung des 43 Jahre alten Oberfranken demonstriert. "Ich bin unheimlich erleichtert, aber sehr bös auf unseren Rechtsstaat und auf diese karriereorientierte Staatsanwältin", sagte Schober nach seiner Freilassung der SZ. Er wünsche keinem Menschen, was er erlebt habe. Er werde auch in Zukunft die Wahrheit sagen: "Mein Vater hat mir einst gesagt: Lügen haben kurze Beine." Er will jetzt eine Entschädigung einklagen.

Es ist derzeit nicht der einzige Fall im Gerichtsbezirk Nürnberg, bei dem Betroffene die Verhältnismäßigkeit der Mittel anzweifeln. In der Kritik steht auch der Umgang mit Helmut Sieber. Der 63-Jährige sitzt seit mehr als 20 Jahren im Gefängnis - wegen Autodiebstählen und Einbrüchen. Wenn es nach dem Oberlandesgerichts Nürnberg (OLG) geht, wird dieser Mann - obwohl kein Mörder oder Vergewaltiger - auch nicht mehr herauskommen aus der JVA Straubing.

Der Strafsenat hatte vor knapp einem Jahr dem Begehren der Staatsanwaltschaft Nürnberg stattgegeben und eine Fortdauer der Sicherungsverwahrung angeordnet. Erst das Bundesverfassungsgericht hat dieses Urteil aufgehoben - und zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen an die Nürnberger Justiz.

© SZ vom 03.11.2008/lala - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: