200 Jahre Rechnungshof:Sinnlose Haltestellen und überflüssige Dächer

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Seit 200 Jahren prüft der Rechnungshof das gesamte Rechnungswesen des Staates und findet fast immer etwas zu bemängeln. Dabei entdecken die Mitarbeiter auch Kurioses - wie die Förderung einer Straßenbahnhaltestelle für 6,1 Millionen Euro.

Melanie Staudinger

Am 20. Oktober 1812 hat er die Arbeit aufgenommen: Der Oberste Rechnungshof in München. (Foto: Catherina Hess)

Irgendwann haben die Bayern gehörig den Überblick verloren. Mühlbeutel-Tuchsteuer, Rosshaarsteuer oder die Abgabe auf Kälberzungen ließen die Finanzbeamten im Königreich an ihre Grenzen stoßen. Dazu kam noch ein Haufen Schulden, der durch die Kriege im 19. Jahrhundert, zuerst gegen Preußen, dann mit den Preußen gegen Frankreich, auch nicht gerade kleiner wurde. Das Chaos der dezentralen Finanzverwaltung wurde König Max I. Joseph dann doch zu groß.

In seiner Verordnung vom 20. Oktober 1812 übertrug er die Kontrolle des staatlichen Geldes dem "Obersten Rechnungshof". Der sollte von nun an das gesamte Rechnungswesen des Staates prüfen. Doch bevor er das konnte, musste er sich erst einmal einen Überblick über die Haushaltslage verschaffen.

Das tun Bayerns oberste Finanzkontrolleure bis heute, und immer wieder entdecken sie bei ihren Prüfungen Kurioses. Ihr Bericht aus dem Jahr 2008 zum Beispiel weist die Förderung einer Straßenbahnhaltestelle mit 6,1 Millionen Euro aus. Dumm nur, dass der Standort verkehrlich schon gut erschlossen war. Die Haltestelle liegt nur einige 100 Meter von zwei weiteren Haltepunkten entfernt, sogar das Verkehrsunternehmen hielt sie für unwirtschaftlich.

Aus demselben Jahr stammt ein Fall, der sich in der Uni Erlangen abspielte. Für zwei Millionen Euro entstand dort ein gläserner Verbindungsgang bei einem Klinikgebäude. Technisch war er auf dem neuesten Stand: Heizung, Sprinkleranlage, ein Sonnenschutz und bewegliche Lamellen-Fenster zur Belüftung, welche über 169 elektrische Antriebe gesteuert wurden. Leider gab es bereits einen Verbindungstunnel und einen Fußweg - die Glaskonstruktion erwies sich als überflüssig.

Stutzig wurden die Kontrolleure auch bei Qualifizierungsmaßnahmen für Landwirte und deren Familienangehörige. 1,3 Millionen Euro lässt Bayern sich Projekte zum Thema "Frau sein heute", "Frau zeigt Profil" oder "Pferd-Mensch-Kommunikation" kosten. Der Nutzen für eine erfolgreiche Betriebsführung aus Sicht der Finanzprüfer: gleich null.

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Auch beim Bau der Olympia-Sportstätten hatte der Rechnungshof etwas zu bemängeln. Die Kosten für die Dachkonstruktion stiegen von 15 bis 18 Millionen Mark auf mehr als 190 Millionen. Die Prüfer resümierten 1970: "So bleibt doch festzustellen, dass sich 46 Prozent der Zuschauerplätze im Olympiastadion unter freiem Himmel befinden, obwohl es sich um das größte und teuerste Dach der Welt handelt."

© SZ vom 18.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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