Investitionsstau in den Kommunen:Privatisierte Verantwortung

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Die Zusammenarbeit von Städten und Gemeinden mit Privatinvestoren ist groß in Mode - aber nicht ohne Risiko. Kritiker befürchten unter anderem, dass die Qualitätsstandards sinken.

Mike Szymanski

Das Technische Hilfswerk feierte es sogar als Erfolg, als seine Helfer nachts bei einem Einsatz die Straßenbeleuchtung im Kemptener Stadtteil Bühl in die Knie zwangen. Im Herbst vergangenen Jahres waren sie zu einer maroden Brücke gerufen worden, und als sie ihre mitgebrachten Strahler einschalteten, schalteten die Regler der Straßenlaternen zur Verwunderung aller automatisch auf Tagesbetrieb um - so hell waren die Einsatzstrahler. Spätestens jetzt merkten die THWler, wie modern neuerdings die Laternen der Stadt sind.

Die Stadt im Allgäu darf nicht nur für sich in Anspruch nehmen, die wohl am klügsten ausgeleuchtete Stadt zu sein. Auch bei der Finanzierung der modernen Technik ging sie neue Wege. Sie ließ sich die etwa 730.000 Euro teuren Laternen von Firmen bezahlen, wie es allmählich auch in anderen bayerischen Kommunen in Mode kommt, wenn das Geld nicht reicht, um sich alle Wünsche zu erfüllen.

Public-Private-Partnership (PPP) nennt sich der Schulterschluss zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft. Prominentestes Beispiel dafür ist die A 8 zwischen Augsburg und München, für deren Ausbau auf sechs Spuren seit dem 1. Mai erstmals in Deutschland ein privates Baukonsortium verantwortlich ist. 30 Jahre lang wird der Zusammenschluss international tätiger Bauunternehmen auch für den Betrieb zuständig sein und als Gegenleistung für den Bauaufwand die auf der Strecke anfallende Lkw-Maut kassieren.

Längst bauen in Bayern Private im Auftrag der öffentlichen Hand neue Schulen, Gefängnisse und Polizeireviere und kümmern sich auch um deren Unterhalt - oftmals Jahrzehnte lang. Derzeit werden im Freistaat mit Partnern aus der Wirtschaft 35 Projekte geschultert, weitere 15 sind in Vorbereitung. Unternehmer könnten dies besser bewerkstelligen als die schwerfällige öffentliche Verwaltung, die zudem chronisch knapp bei Kasse sei - heißt es.

Drei neue Schulen

Die Bauwirtschaft sehnt sich nach Jahren der Krise nach Aufträgen, während die öffentliche Hand notwendige Investitionen abarbeiten will, die sich in Jahren des Geldmangels aufgestaut haben. Allein im Freistaat beziffert die Baubranche den Investitionsbedarf mit 70 Milliarden Euro. Wirtschaft sowie Bund, Land und Kommunen versprechen sich von der Zusammenarbeit ein gutes Geschäft.

Der Kemptener Energiemanager Hans Räth etwa stöhnte über Stromrechnungen in Höhe von etwa 360.000 Euro im Jahr - allein für die Lampen. Aus eigener Kraft hätte die Stadt die modernen Laternen "allenfalls häppchenweise" bezahlen können, wie Räth sagt.

Stattdessen suchte sich die Stadt einen Hersteller als Partner und schloss einen Vertrag über die Laufzeit von knapp neun Jahren ab. Das Unternehmen modernisiert die Straßenbeleuchtung, wartet sie und bekommt als Gegenleistung die eingesparten Energiekosten - etwa 120.000 Euro im Jahr.

Neuerdings wird nach der Hauptverkehrszeit am Abend das Licht gedimmt. Erst nach Ende der Vertragslaufzeit profitiert die Stadt dann von der Technik. "Für uns ist das ein guter Weg", sagt Hochbauamtsleiter Hans Henkel.

In Nürnberg sollen Privatinvestoren für mehr als 40 Millionen Euro bald drei Schulen und eine Turnhalle neu bauen oder sanieren. Ein privater Mediendienstleister steigt in einem Pilotprojekt in die Verwaltung der Stadt Würzburg ein und will die Abläufe neu und günstiger strukturieren. Würzburg verspricht sich davon, langfristig zehn Millionen Euro einzusparen - zunächst aber fließt das Geld in das Projekt.

Auch die Staatsregierung marschiert mutig voran, wenn es darum geht, neue Allianzen zu schmieden. Den Neubau des Frauen- und Jugendgefängnisses in München und dessen Unterhalt hat sie ebenso abgegeben wie etwa die Ortsumgehungsstraße Miltenberg.

Die bayerische Bauwirtschaft jubelt: "Sie können hinschauen, wo Sie wollen. Es tut sich einiges", sagt Detlef Lupp, Geschäftsführer beim Verband der Bayerischen Bauindustrie. Der Anteil der PPP-Projekte am öffentlichen Bauvolumen liegt noch bei etwa fünf Prozent - langfristig träumt die Branche von 15 Prozent und mehr.

Wer bei einem PPP-Projekt zum Zuge kommt, kann über Jahre mit konstanten Einnahmen rechnen. Außerdem erschließen sich die Firmen neue Geschäftsfelder, wenn sie sich auch noch um den Unterhalt der Gebäude kümmern, die sie bauen.

Der Bayerische Städtetag verfolgt mit gemischten Gefühlen, wie die Kommunen immer häufiger Verträge unterschreiben, die sie für lange Zeit binden. Geschäftsführer Reiner Knäusl warnt: "Wer kein Geld hat, kann auch mit PPP nicht bauen."

Der Vorteil liege lediglich darin, dass Städte und Kommunen über lange Laufzeiten die Investitionen abstottern können - ob sie zudem günstiger an die neue Schule oder die neue Turnhalle kommen, als wenn sie die Projekte selbst finanzieren würden, lässt er dahingestellt. Schließlich habe die Wirtschaft nichts zu verschenken.

Ebenso müssten Privatinvestoren erst beweisen, ob sie tatsächlich die gleichen Qualitätsstandards halten wie die öffentliche Hand. In Hessen etwa wurde später geklagt, Firmen hätten bei der Einrichtung von Schulen geknausert. In den Kommunen macht man aber eine andere Rechnung auf: Ohne Hilfe von privater Seite gäbe es so schnell überhaupt keine neue Schule.

© SZ vom 9.5.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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