Interview mit MS-Krankem:"Wir schauen das Spiel halt auf der Leinwand"

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Ein MS-Kranker aus der Oberpfalz fährt mit dem Rollstuhl zum EM-Duell nach Wien - obwohl er noch keine Eintrittskarte fürs Endspiel hat.

Dietrich Mittler

Stefan Ehbauer, Justizvollzugsbeamter aus Ammerthal in der Oberpfalz, hat sich viel vorgenommen. Mit seinem Handbike, einem Rollstuhl mit Handkurbel-Antrieb, ist er seit vergangenem Montag unterwegs nach Wien, wo er sich das EM-Fußballspiel Österreich gegen Deutschland anschauen will. Heute wird der 39-Jährige im Laufe des Tages am Ziel eintreffen. Nebenbei sammelt er auf der Tour Spenden, um damit Menschen zu unterstützen, die wie er an Multipler Sklerose erkrankt sind.

Fußballfan und Spendensammler: Stefan Ehbauer versteht sich als Botschafter der Menschen mit Multipler Sklerose. (Foto: Foto: privat)

SZ: Wie kommt man nur auf eine solche Idee - sind Sie Leistungssportler?

Stefan Ehbauer: Das wäre jetzt vielleicht ein bisschen übertrieben.

SZ: Auf alle Fälle sind Sie wetterfest.

Ehbauer: Bei Passau hat es sauber abgeregnet, da war dann wirklich alles nass. Sogar die Unterhose. Aber ehrlich, es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung.

SZ: Wenn Sie in Wien ankommen, geht es bestimmt sofort ins Stadion.

Ehbauer: Schaun wir mal. Bis jetzt habe ich noch keine Eintrittskarte - aber vielleicht kommt ja eine auf mich zu.

SZ: Sie haben noch keine Eintrittskarte und machen sich auf einen so mühsamen Weg?

Ehbauer: Das passt schon. Wenn wir keine Karten bekommen, dann schauen wir uns das Spiel halt auf dem Rathausplatz in Wien an, wo eine Leinwand aufgestellt ist. Im Grunde geht es mir ja eher darum, als Botschafter der Menschen mit Multipler Sklerose unterwegs zu sein. Und nebenbei haben wir eine Menge Spaß, meine drei Begleiter und ich.

SZ: Sie sind im Team unterwegs?

Ehbauer: Sonst wäre es nicht zu schaffen - einer steuert zum Beispiel das Begleitfahrzeug. Außerdem, allein in der Botanik, des wär' doch trist.

SZ: Für wen sammeln Sie die Spenden?

Ehbauer: Zur einen Hälfte für den Münchner Verein Sternstunden, zur anderen Hälfte für die Selbsthilfegruppe MS-Abendtreff in Amberg. Als ich vor Jahren mit dem Handbike von Ammerthal aus zum neuen Münchner Stadion gefahren bin, habe ich gut 12.000 Euro an Spenden sammeln können. Diesmal wird es wohl nicht so viel werden.

SZ: Seit wie vielen Jahren leiden Sie selbst an Ihrer Krankheit?

Ehbauer: Ich feiere demnächst mein zehnjähriges Jubiläum. Das sage ich jetzt mit Galgenhumor. Wissen Sie, ich habe mir eins vorgenommen: Ich lebe mit der Krankheit. Aber ich passe auch auf, dass die Krankheit nicht mit mir lebt.

SZ: Wer gewinnt heute in Wien das Match?

Ehbauer: Wenn Sie mich fragen - die Besseren.

© SZ vom 16.06.2008/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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