Interview mit LKA-Ermittler:In Bayern gibt es keine Mafia

Lesezeit: 2 min

Die Morde in Duisburg haben bundesweit Entsetzen ausgelöst. Haben wir jetzt ein Mafia-Problem in Deutschland? Nein, sagt Josef Geißdörfer, Chefermittler im Landeskriminalamt im Interview mit Barbara Vorsamer.

sueddeutsche.de: Die Morde in Duisburg haben bundesweit Entsetzen ausgelöst und nun stellt sich die Frage: Haben wir ein Mafia-Problem in Deutschland?

Josef Geißdörfer: Zu Deutschland kann ich nichts sagen, ich bin nur für Bayern zuständig.

sueddeutsche.de: Dann verraten Sie es mir doch für Bayern.

Geißdörfer: In den 90er Jahren hatten wir sehr viele Umtriebe. Aber das hat sich sehr stark beruhigt. So, dass wir heute so gut wie keine Informationen haben, auch aus Italien hören wir nichts mehr.

Wir leben bezüglich der Mafia sehr stark von den Informationen der italienischen Behörden. Die teilen uns mit, wenn sich der oder der gewichtige Mafiosi in Deutschland aufhält. Aber da haben wir schon lange nichts mehr gehört.

Wir sind auch der Meinung, derzeit keine Zellen oder Filialen von Ndrangheta oder Camorra bei uns in Bayern zu haben. Allerdings ist es natürlich so, dass es in München und Bayern Zigtausend Italiener gibt, die hier auch Lokale, Eisdielen etc. betreiben. Hier sind immer mal welche dabei, die Kontakte zu Mafiaorganisationen haben.

Deshalb gibt es öfter Einzelfälle von Drogenhandel oder anderen Verbrechen, die im Zusammenhang mit der Mafia stehen. Doch ich möchte betonen, dass es sich dabei um einzelne Personen handelt. Soweit ich weiß, haben wir kein strukturelles Mafiaproblem in Bayern.

sueddeutsche.de: Sie haben vorher die Probleme mit der Mafia in den 90ern erwähnt. Jetzt sagen ja viele, dass sich die Mafia seitdem stark verändert hat - Stichwort "unternehmerische Mafia". Können Sie das bestätigen?

Geißdörfer: Es spricht Einiges dafür, vor allem natürlich die Tatsache, dass man weniger von ihnen hört. Es gibt Anzeichen, dass sich die Mafia-Organisationen stärker auf geschäftliche Felder verlagert haben, also mehr auf Subventionsbetrug oder das Betreiben scheinbar legaler Geschäfte.

sueddeutsche.de: Aber wir haben es weiterhin mit einer kriminellen Organisation zu tun? Oder entwickelt sich die Mafia zu einem legalen Wirtschaftsbetrieb?

Geißdörfer: Nein, das tut sie nicht. Die Geschäfte sehen höchstens legal aus, weil sie viele unternehmerische Komponenten haben.

Aber zum Beispiel bei der Ndrangeta steht sehr stark der Rauschgifthandel im Vordergrund, weil die Organisation gute Kontakte in die Türkei hat, für den Heroinhandel. Ebenso gut ist dei Mafia in Südamerika vernetzt, für den Kokainhandel. Das ist der Hauptwirtschaftszweig, in dem die Ndrangeta tätig ist.

Die Mafia entfernt sich aber von der Mord-, Raub- und Erpressungsorganisation, die sie mal war. Wirtschaftskriminalität ist lukrativer.

Josef Geißdörfer ist Kriminaldirektor beim Bayerischen Landeskriminalamt.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: