Interview mit dem bayerischen IG-Metall-Chef:"Die CSU macht einen schweren Fehler"

Lesezeit: 3 min

Die bayerische IG Metall musste Kritik einstecken, weil sie sich nicht vehement gegen den Abbau Tausender Stellen bei BMW gestemmt hat. Gewerkschaftschef Neugebauer wehrt sich gegen die Vorwürfe.

SZ: Herr Neugebauer, warum ist es der IG Metall egal, wenn BMW bis zu 8000 Stellen vor allem von Zeitarbeitern abbaut?

Der bayerische IG-Metall-Chef Werner Neugebauer sagt, er könne bei der Staatsregierung keinen wirtschaftspolitischen Kurs erkennen. (Foto: Foto: dpa)

Werner Neugebauer: Das ist uns überhaupt nicht egal. Fakt ist, wir haben mit dem Management im Zuge einer langfristigen Unternehmensplanung für alle Kolleginnen und Kollegen eine Beschäftigungsgarantie für sieben Jahre ausgehandelt. Niemandem bei BMW wird in dieser Zeit betriebsbedingt gekündigt. Außerdem wurde ganz klar definiert, dass Leiharbeiter nur beschäftigt werden dürfen, um Produktionsspitzen aufzufangen.

SZ: Vertritt die IG Metall also nur die Interessen von Stammbelegschaften? Neugebauer: Nein, aber man muss die Realität zur Kenntnis nehmen. Bei BMW wird die komplette Produktion der Siebener-Baureihe umgestellt. Man braucht da künftig deutlich weniger Personal. Außerdem darf man BMW nicht isoliert betrachten. Wenn Daimler, Audi und andere Konkurrenten deutlich höhere Kapitalrenditen haben, hat es auf den Börsenkurs und auf die Kapitalstruktur von BMW negativen Einfluss, wenn es dort nur fünf Prozent sind. Mir würden die völlig reichen, aber darum geht es nicht.

SZ: Sie wussten als Aufsichtsrat bei BMW schon seit Mai von den Plänen. Warum haben Sie nicht Alarm geschlagen?

Neugebauer: Weshalb Alarm schlagen? Es gab keine Entlassungen und wir haben eine Menge erreicht. Dazu gehört, dass die Leiharbeiter bei BMW endlich vernünftig bezahlt werden. Da gingen welche aus den untersten Lohngruppen mit 7,50 Euro brutto die Stunde heim. Wir haben durchgesetzt, dass diese Untergrenze auf 11,62 Euro angehoben wird. Das ist fast der reguläre Tariflohn der Metall- und Elektroindustrie von 12Euro.

SZ: Die IG Metall will die Leiharbeit bekämpfen, ihr Anteil an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten liegt bei lediglich 2,4 Prozent. Ist die Aufregung da nicht übertrieben?

Neugebauer: Viele Firmen nutzen Leiharbeit nicht nur zur Abfederung von Produktionsspitzen. Es ist eine Sauerei, wenn zwei gleich qualifizierte Kollegen jahrelang nebeneinander die gleiche Arbeit leisten, der eine aber 30, 40 oder 50 Prozent weniger verdient als der andere. Manche wollen so die eigene Belegschaft disziplinieren. Nach dem Motto: Wenn du nicht spurst, holen wir für dich eben einen, der deinen Job billiger macht. In anderen Ländern kassiert der Leiharbeiter oft sogar einen Flexibilisierungs-Zuschlag, weil sein Jobverlust-Risiko höher ist als das des Festangestellten.

SZ: Wo ist für Sie die Schmerzgrenze?

Neugebauer: Ich halte fünf Prozent Leiharbeiteranteil an einer Belegschaft für vertretbar.

SZ: Die Gewerkschaften fordern einen Mindestlohn. Die CSU ist bei diesem Thema uneinheitlich. Sehen Sie Chancen, dass die Partei Ihnen entgegenkommt?

Neugebauer: Die CSU macht einen schweren Fehler. Sie missachtet, dass 90Prozent der Bevölkerung verbindliche untere Lohngrenzen wollen. Ich lasse mit mir über flexible, branchen- und regionalbezogene Lösungen reden. Für einen Friseur muss nicht derselbe Mindestlohn gelten wie für einen Facharbeiter der Metallindustrie. Innerhalb der einzelnen Branchen könnte man regional differenzieren. Wer beispielsweise im teuren München lebt und arbeitet, für den könnte ein höherer Mindestlohn gelten, als für jemanden, der dieselbe Arbeit in einer ländlichen und von der Lebenshaltung her günstigen Gegend macht.

SZ: Ministerpräsident Günther Beckstein hat sich zuerst für und inzwischen gegen einen Mindestlohn ausgesprochen. Was halten Sie davon?

Neugebauer: Das hat mich auch irritiert. Neulich haben ich und andere Gewerkschaftschefs mit Beckstein gesprochen. Manches, was er da gesagt hat, hat mich an banale Stammtischdebatten erinnert und nicht an professionelle Politik. SZ: Was halten Sie vom wirtschaftspolitischen Kurs der Staatsregierung?

Neugebauer: Welchen Kurs? Ich kann da nicht einmal ansatzweise einen erkennen.

SZ: Mit dem früheren Wirtschaftsminister Otto Wiesheu haben Sie oft gestritten, aber auch viele Arbeitsplätze gerettet. Mit seinem Nachfolger Erwin Huber wurden Sie nie richtig warm. Wie sehen Sie die jetzige Wirtschaftsministerin Emilia Müller?

Neugebauer: Ich habe sie noch nie getroffen. Gleich zu ihrem Amtsantritt am 16. Oktober habe ich um einen Termin gebeten. Bis heute kam nicht einmal eine Antwort. Man muss sich das einmal vorstellen: Binnen vier Wochen wurden bei VDO und EADS in Bayern 5000 Arbeitsplätze an neue Eigentümer verhökert. Und die Wirtschaftsministerin hält es nicht einmal für nötig, mit einem IG Metall-Bezirksleiter zu reden.

© N/A - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: