Interview mit Christine Haderthauer:"Ypsilanti fährt einen Blockadekurs"

Lesezeit: 4 min

Die CSU-Generalsekretärin hält das Werben von Hessens SPD-Chefin Ypsilanti um die FDP für ein Ablenkungsmanöver, macht ein massives Führungsproblem in der SPD aus und hält vermeintliche linke Mehrheiten für virtuell.

Bernd Oswald

sueddeutsche.de: Frau Haderthauer, die hessische SPD-Politikerin Andrea Ypsilanti hat in einem Brief an die FDP gemeinsame Standpunkte aufgelistet. Das ist als abermaliger Versuch zu werten, doch noch eine Ampelkoalition zustande zu bringen.

CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer wirft der SPD ein Führungsproblem vor (Foto: Foto: ddp)

Christine Haderthauer: Das ist ein durchschaubares Ablenkungsmanöver. Ypsilanti will vorbauen - damit sie hinterher die Schuld auf andere schieben kann, wenn sie sich von den Linken wählen lässt. Der Auftrag zur Regierungsbildung liegt aber eindeutig bei Roland Koch und der CDU als stärkster Partei in Hessen.

sueddeutsche.de: In diesem Falle sähen Sie die Regierungsarbeit gravierend belastet. Dabei ist es doch ein eherner Grundsatz des politischen Geschäfts, dass sich Bundesparteien nicht in die Belange ihrer Landesverbände einmischen.

Haderthauer: SPD-Chef Kurt Beck hat im Hessen-Wahlkampf Ypsilantis Versprechen massiv unterstützt, nicht mit den Linken zusammenzugehen. In seiner Funktion als Bundesvorsitzender hat er gesagt, dass in Hessen in keiner Weise mit den Linken zusammengearbeitet wird. Ich betone: in keiner Weise. Also begeht nicht nur Ypsilanti, sondern auch Beck dreisten Wortbruch. Dieser Vorgang hat also sehr wohl bundespolitische Bedeutung, auch wenn der Tatort ein Länderparlament ist.

sueddeutsche.de: Sie sorgen sich um die Bundes-SPD?

Haderthauer: Sie ist ja immerhin in Berlin unser Koalitionspartner. Man arbeitet nur dann konstruktiv zusammen, wenn der Partner stabil und verlässlich ist. Für uns ist wichtig: Mit wem reden wir da? Wer ist eigentlich zuständig in der SPD? Nachdem jeder vierte SPD-Wähler sagt, Beck muss weg, sollten die vielleicht erst mal ihr Führungsproblem klären. Sogar Becks Stellvertreter fühlen sich von ihm verschaukelt und mussten doch mit viel Druck auf Linie gebracht werden. Aufgrund des Wortbruchs von Beck geht ein tiefer Riss durch die SPD.

sueddeutsche.de: Wenn die Linke in Hessen Frau Ypsilanti wählen würde, heißt das ja noch lange nicht, dass die SPD mit dieser Partei zusammenarbeitet. Man kann sich ja nicht aussuchen, von wem man Beifall bekommt.

Haderthauer: Vor der Wahl hat die SPD genau dieses Tolerieren ausgeschlossen. Ypsilanti muss sich da beim Wort nehmen lassen. Danach wurde sie schließlich mehrfach ausdrücklich gefragt. Frau Ypsilanti hat zum Schluss auf diese Frage schon fast genervt geantwortet, dass das für sie nie in Frage komme. Auch Kurt Beck hat eine Tolerierung ausgeschlossen. Ypsilanti und die Hessen-SPD haben doch dieses Wahlergebnis nur erzielt, weil die Wähler darauf vertraut haben. Wenn sie sich jetzt zur Wahl stellt und sagt: Ich kann doch nichts dafür, wenn die Linken mich wählen, dann hat sie ihre Wähler an der Nase herumgeführt.

Lesen Sie auf Seite 2, warum Christine Haderthauer die linken Mehrheiten in deutschen Landtagen nur für virtuell hält.

sueddeutsche.de: Sie sagen, Koch hat den Regierungsauftrag. Bisher hat er aber keinerlei Initiative gezeigt. Sogar Hessens FDP-Chef Hahn hat ihn gerügt, dass er sich nicht um Schwarz-Gelb-Grün bemüht hat.

Haderthauer: Ich halte es für richtig, dass er seine Gespräche nicht in der Öffentlichkeit führt.

sueddeutsche.de: Wissen Sie da mehr als wir?

Haderthauer: Nein, aber ich kann mir gut vorstellen, dass er nicht untätig ist. Die große Koalition wäre schon eine Möglichkeit - aber Ypsilanti fährt ja einen Blockadekurs. Vielleicht hofft Koch da auf Einsichtsfähigkeit bei denen in der SPD, die es genauso absurd finden, eine große Koalition abzulehnen und gleichzeitig mit den Linken zu paktieren.

sueddeutsche.de: Sieben der neun Landtagswahlen seit der Bundestagswahl 2005 haben zu linken Mehrheiten geführt. Warum hat die Union noch immer kein Gegenrezept gefunden?

Haderthauer: Diese angeblichen linken Mehrheiten sind doch nur virtuell. Die Wahlkämpfe in Niedersachsen, Hessen und Hamburg wurden von der SPD mit der klaren Aussage geführt, keinesfalls mit den Linken zusammenzugehen. Das haben die Menschen geglaubt. Eine große Mehrheit der SPD-Wähler gibt in Umfragen an, dass die Partei sonst nicht ihre Stimmen bekommen hätte. Dann wäre Ypsilanti überhaupt nicht in der Situation, sich von der Linken wählen zu lassen. Wenn die SPD wirklich - wie es vielleicht in Hessen passiert - mit den Linken zusammengeht, wird sie das zerreißen. Sie wird dafür vom Wähler abgestraft werden. Dann wird es auch rechnerisch nicht mehr zu einer linken Mehrheit kommen.

sueddeutsche.de: Man kann es auch andersherum sehen: CDU und FDP bekommen zusammen keine Mehrheiten mehr.

Haderthauer: Es gibt viele bürgerliche SPD-Wähler, die kein Problem mit einer großen Koalition im Land hätten. Die kann man doch nicht als "links" bezeichnen! Damit täte man vielen SPD-Wählern unrecht. Die SPD hat einen durchaus gemäßigten, bürgerlichen Flügel mit vielen prominenten Vertretern. Wenn die SPD diesen Flügel stutzt, gehen bürgerlichen Kreise der Partei ins Lager der Nichtwähler oder werden sich der Union zuwenden.

sueddeutsche.de: Was halten Sie in Hamburg für wahrscheinlicher? Schwarz-Grün oder eine große Koalition?

Haderthauer: Das ist Sache von Ole von Beust. Die CSU wird da keine Ratschläge geben. Schwarz-Grün gibt es ja schon in einigen Großstädten. Die Gespräche werden zeigen, ob das auch für Hamburg eine realistische Perspektive ist.

sueddeutsche.de: Was wäre der CSU lieber: Ein Bündnis mit den "Umfallern" der SPD oder mit den Grünen, die sonst immer von der CSU abgemeiert werden?

Haderthauer: Ich kann nur noch einmal sagen: Schwarz-Grün ist für uns im Bund kein Modell für die Zukunft. Die Hamburg-Wahl hat vorrangig den Charakter einer Kommunalwahl. Die Grünen agieren auf kommunaler Basis oft vollkommen anders als die Grünen im Bund, die bei ihrem letzten Parteitag das Prinzip der Nachhaltigkeit vollkommen verlassen haben. Mit der SPD sind wir im Bund in der großen Koalition. Es muss klarwerden, wer das Sagen in der SPD hat: Diejenigen, die Wählerbetrug gutheißen, oder die Anständigen.

sueddeutsche.de: Wird sich der momentane Linkstrend auch bei den bayerischen Kommunalwahlen am Sonntag niederschlagen?

Haderthauer: Die Linke wird in Bayern keinen Fuß auf den Boden bekommen, sie tritt ja nur in 20 von über 2000 Gemeinden an. Wenn überhaupt, dann kostet das der SPD Stimmen und vielleicht den Grünen. Für die CSU erwarten wir, dass wir einige Landrats- und OB-Posten dazugewinnen.

sueddeutsche.de: Wie kann die CSU verhindern, dass die Linke im September in den bayerischen Landtag einzieht? Oder haben Sie gar nichts dagegen, solange es die SPD Stimmen kostet?

Haderthauer: Natürlich haben wir grundsätzlich etwas dagegen, weil die Linke im Westen DKP-Mitglieder auf ihre Listen nimmt. Diese Leute sind Verfassungsfeinde. Da muss man als Demokrat etwas dagegen haben, dass solche Leute unter dem Deckmantel der Linken in Parlamente kommen. In Bayern sehe ich die Gefahr aber nicht. Wir haben eine sehr hohe soziale Zufriedenheit und deshalb so gut wie kein Protestpotential.

© sueddeutsche.de/jja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: