SZ-Europa-Atlas:So steht Bayern in Europa da

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Europa hat Krise, manchmal auch Deutschland, doch Bayern floriert - das zeigt der Vergleich mit etwa 300 anderen Regionen Europas. Die Auswertung des SZ-Europa-Atlas beweist auch: nicht überall wo Bayern vorgibt, spitze zu sein, ist Bayern auch weit vorn. Die Ergebnisse im Überblick.

Von Ingrid Fuchs und Beate Wild

  • Bevölkerung

Während in anderen Teilen Deutschlands die Bevölkerung ständig schrumpft, kann Bayern immerhin einen kleinen Zuwachs verzeichnen. Noch wird es nicht eng im Freistaat, aber die Bevölkerungsdichte steigt kontinuierlich an. Während 1997 noch 170,9 Menschen einen Quadratkilometer des Freistaats bewohnten, sind es 2010 schon 177,5. Ein Plus von 3,86 Prozent. Im Vergleich zu den europäischen Nachbarn haben die Bayern im Übrigen wenig Platz. In Spanien wohnen durchschnittlich 85,85 Einwohner pro Quadratkilometer, in Frankreich 96,69, in Tschechien 133,45 und in Österreich 98. Andererseits: Im Vergleich zu Nordrhein-Westfalen, dem Bundesland, das am dichtesten besiedelt ist, ist das noch wenig. Dort leben 523,9 Menschen auf einem Quadratkilometer.

Dass immer mehr Menschen in Bayern leben liegt übrigens nicht an den vielen gebürtigen Bayern. Die Fruchtbarkeitsrate, die angibt, wie viele Kinder eine Frau im Laufe ihres Lebens durchschnittlich bekommt, liegt bei 1,35. Rechnerisch müssten etwa 2,1 Kinder pro Frau geboren werden, um die Bevölkerung langfristig auf einem konstanten Niveau zu halten.

  • Arbeit und Wohlstand

Mit einem Einkommen von 27.709 Euro (KKS, Daten von 2009) ist der Großraum London einsame Spitze. Doch die Bayern liegen mit 23.307 Euro (KKS) ebenfalls weit vorne in Europa. Ähnlich gut sieht es bei der Arbeitslosigkeit der Arbeitslosigkeit aus (Daten von 2011): Mit knapp über 5 Prozent liegt Bayern im europäischen Spitzenfeld. Noch beeindruckender ist die Platzierung von Oberbayern, das hinter dem Süden Norwegens, der Zentralschweiz und Salzburg Platz vier belegt.

  • Bildung und Forschung

In Bayern werden durchschnittlich 401 Patente pro eine Million Einwohner angemeldet (Daten 2009), eine ziemlich hohe Quote. Mehr Patente gibt es nur im benachbarten Baden-Württemberg. Zum Vergleich In Schweden etwa kommt man auf 234 Patente pro eine Million Einwohner, in Frankreich auf 119, in Spanien auf 25 und in Polen gar nur auf 3.

Bei der Akademikerquote landet Bayern allerdings nur im Mittelfeld. 29 Prozent der 25- bis 64-Jährigen Bayern haben einen Abschluss an einer Hochschule, Fachhochschule oder Berufsakademie. Das ist zwar deutlich mehr als in Italien oder Rumänien (je 14,9 Prozent). .

  • Online

Wer denkt, in Bayern sei Laptop und Lederhose das oberste Lebensprinzip und jeder im Freistaat sei bestens mit einem Internetzugang ausgerüstet, der täuscht sich. Während 85 Prozent (alle Zahlen von 2011) der Bayern über einen Zugang zum World Wide Web verfügen, sind es beim Spitzenreiter Niederlanden 94 Prozent. Beim Online-Shopping werden die Bayern (66 Prozent) ebenfalls von den Skandinaviern überflügelt. Spitzenreiter ist Norwegen: Hier haben 71 Prozent der Einwohner im vergangenen Jahr im Netz eingekauft.

  • Verkehr

541 Pkw gibt es in Bayern je 1000 Einwohner (Zahlen von 2009). Deutlich mehr als im Bundesschnitt (505), aber auch deutlich weniger als in anderen Regionen Europas, wo zum Teil deutlich mehr als 600 Autos je 1000 Einwohnern gemeldet werden.

Im europäischen Vergleich ist man auf Bayerns Straßen relativ sicher unterwegs: mit 5,8 Verkehrsteilnehmern je 100.000 Einwohner sterben hier relativ wenige Menschen im Straßenverkehr. Allerdings: Der Bundesdurchschnitt liegt seit jeher deutlich darunter.

  • Gesundheit

Für seine Junkies ist Bayern normalerweise nicht bekannt, doch die Statistik zeigt, dass der Freistaat innerhalb Deutschlands gar nicht so gut da steht: Mit 2,3 Drogentoten (jeweils gerechnet auf 100.000 Einwohner) im Jahr 2009 lag das Bundesland deutlich vor Berlin (0,4 Tote) - aber deutlich hinter Bremen (4,5 Tote). Deutschlandweit lag die Zahl der Drogentoten in den vergangenen Jahren bei durchschnittlich 1,22 Opfern.

Bei der Versorgung mit Krankenhausbetten nimmt Bayern innerhalb des Bundes zwar keinen Spitzenplatz ein, liegt aber mit knapp 860 Betten je 100.000 Einwohner (Stand: 2009) über dem deutschen Durchschnitt. Der Abstand zu den besser ausgestatteten Bundesländern Hessen, Thüringen, dem Saarland und Schleswig-Holstein ist nicht besonders groß. Europäischer Spitzenreiter ist übrigens Mecklenburg-Vorpommern, mit 1247,7 Betten je 100.000 Einwohnern.

Nicht erfasst wird dabei, wie die Versorgung in den einzelnen Kliniken ist. Für Bayern hat eine Verdi-Studie kürzlich ergeben, dass durch alle Beschäftigtengruppen in den Krankenhäusern etwa 21.000 Arbeitsplätze besetzt werden müssten. Das relativiert die guten Zahlen. Ähnlich ist die Situation bei der Zahl der praktizierenden Ärzte. Zwar stehen Bayern (383,4 Ärzte je 100.000 Einwohner in 2009) und die übrigen Bundesländer laut der Statistik im europäischen Vergleich recht gut da. Doch sagen die Zahlen nichts darüber aus, wie sich die Praxen innerhalb der Länder verteilen.

  • Tourismus

Wenn es darum geht, Touristen aus dem In- und Ausland anzulocken, zieht Bayern den anderen Bundesländern davon: Mehr als zwölf Millionen Übernachtungen wurden im Jahr 2011 von ausländischen Besuchern gebucht - etwa die Hälfte davon in München. Insgesamt verzeichneten die Hotels in Bayern 55,3 Millionen Übernachtungen, bundesweit waren es 240,78. Die tatsächliche Zahl der Übernachtungsgäste liegt aber wohl noch etwas höher, denn die Statistik zählt nur offizielle Buchungen in Hotels oder Gaststätten. Wer privat irgendwo übernachtet hat, fehlt in dieser Rechnung.

München hat den Oktoberfest-Bonus und beschert Oberbayern dadurch jedes Jahr viele Besucher. Doch auch in anderen europäischen Ländern sind Städtereisen äußerst beliebt, zu den Klassikern zählen unter anderem Paris, Amsterdam, Budapest und die spanischen Metropolen Madrid und Barcelona. Doch nicht jeder verbringt seine Ferien gern in urbaner Umgebung.

Die Camper unter den Touristen haben offenbar ein klares Topreiseland - und da spielt Bayern kaum mehr eine Rolle. Deutschland landet mit knapp 25 Millionen Übernachtungen im Jahr 2011 nur auf Platz fünf. Beliebter sind offenbar Campingplätze in Spanien (knapp 30 Millionen), England (49,11 Millionen), Italien (66,86 Millionen) und - auf Platz eins, mit 106,77 Millionen Übernachtungen: Frankreich.

  • Landwirtschaft

Rinder, Milchkühe, Schweine, Schafe, Milchproduktion, Getreide, Kartoffeln und Grünmais: In allen Bereichen zählt Deutschland zu den Topproduzenten in Europa. Außer bei Schafen, davon gibt es hierzulande nur 2088,5 (Angaben immer in 1000). Doch wie heißt es? Das Angebot regelt die Nachfrage. Und umgekehrt. In Großbritannien (21.295) und selbst Spanien (18.551,6) sind die Tiere begehrter.

Innerhalb Deutschlands beherrschen vor allem zwei Bundesländer die landwirtschaftliche Produktion: Niedersachsen und Bayern. In einigen Bereichen liegen die beiden gleichauf - etwa bei der kaum betriebenen Schafhaltung oder beim Getreideanbau. In Niedersachsen nahm die Produktion von Schweinefleisch seit den 70er Jahren spürbar zu, im Jahr 2010 wurden hier 8307,7 Tiere (in 1000) gezählt, in Bayern nur 3549,9.

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