Heavy-Metal-Festival in Franken:Heidenspaß und Hasstiraden

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Jedes Jahr im Frühling sieht das oberfränkische Lichtenfels schwarz. Doch die Veranstalter des "Ragnarök"-Festivals kämpfen mit rechten Tendenzen in der Metal-Szene.

Von Marc Felix Serrao

Zum Ende der Welt geht es rechts am Rathaus entlang, durch die Unterführung, am Piercingstudio vorbei und die erste Straße links. "Siehste schon" - die zwei dunkel gekleideten Mädchen auf dem Marktplatz des oberfränkischen Lichtenfels kichern fröhlich: "Da wird's dann schwarz." Und wirklich, gleich hinter der Unterführung sieht man sie.

Hohe Dichte an langen Haarmatten: ein Screenshot von der Website des Veranstalters. (Foto: Foto: www.ragnaroek-festival.com)

Erst zwei, dann fünf, dann Dutzende düstere Gestalten streben an dem milden Frühlingstag einem Ziel entgegen: "Ragnarök". Der Name des zweitägigen Festivals stammt aus der nordischen Mythologie und bedeutet: finaler Kampf der Götter. Das Ende der Welt. Rund 5000 junge Gäste waren heuer bei der fünften Auflage des Festivals dabei.

"Es ist schwer, gleichzeitig zu singen und zu saufen", ruft Jostein Austvik ins Mikrofon. Der bullige 26-jährige Sänger der norwegischen Band Trollfest nimmt einen großen Schluck Bier aus dem Plastikbecher, wischt sich über den roten Zottelbart und ballt die Faust in der Luft. In der Halle schnellen zur Antwort ein paar hundert Fäuste in die Höhe, viele mit ausgestrecktem Zeigefinger und kleinem Finger, auch bekannt als "Teufelsgruß".

Sänger Trollmannen kündigt den nächsten Titel an, irgend etwas wie "Essenfest". Er grunzt seinen Text eher. Den Refrain, den der schwarze Pulk in der abgedunkelten Halle mitgrölt, versteht man gut: "Hahahaha!" Nicht viele Bands bringen hier soviel Bewegung ins Publikum.

Faible für kriegerische Germanen-Götter

Pagan Metal ("Heiden Metal") heißt die Musik der 30 Bands, die beim Ragnarök spielen. Das Festival in Lichtenfels hat sich in kurzer Zeit zu einer der wichtigsten Veranstaltungen der kleinen, vor allem in Nordeuropa beheimateten Szene gemausert. In der Stadthalle von Lichtenfels, einem modernen Veranstaltungskasten mit hellen Wänden und Glastüren, sind an diesem Freitag und Samstag alle Fenster verhängt.

Die Gruppen spielen vom düsteren Black Metal, mit seinem gutturalen Grunz- und Schreigesang, bis zu melodiösem Mittelalter-Folk. Das Meiste aber klingt laut, schnell und hart. Was die Szene eint, ist ihr Faible für kriegerische Germanen-Götter. Auf ihrer Internetseite schreiben Trollfest, dass sie angefangen haben Musik zu machen, nachdem sie im Wald die Instrumente einer Gruppe Christen gefunden hätten. Den "fetten Bischof" und seine Begleiter hätten sie aufgefressen.

Der Mann, der jedes Jahr mehr Menschenfresser nach Oberfranken lockt, heißt Ivo Raab. 2004 kamen gerade mal 150 Konzertbesucher. "Da habe ich mordsmäßig drauf gezahlt", erinnert sich der 22-Jährige, der bald seine Ausbildung zum Bürokaufmann beenden wird. An diesem Wochenende sitzt der hochgewachsene Schlacks mit tiefen Ringen unter den Augen im Büro unterm Dach der Stadthalle und erzählt von dem 70-jährigen gebürtigen Letten aus Lichtenfels, der gerade bei ihm aufgekreuzt ist: "Der hat gelesen, dass eine Band aus seiner Heimat kommt."

"Odin statt Jesus"

Raab meint Skyforger, die Metal mit Flötenmusik vereinen und in Leinengewändern von der siegreichen Schlacht von Schaulen im Jahr 1236 singen. Dem alten Herrn haben die lauten Gesänge offenbar gefallen. Nach dem Auftritt posierte er stolz mit den Letten fürs Fotoalbum.

Die Stadtverwaltung hatte mit ihren düsteren Gästen bislang keine Probleme. "Die benehmen sich gut", sagt Manfred Diller, Leiter des Hauptamtes von Lichtenfels. Klar, bei so einer Veranstaltung gehe mal eine Scheibe zu Bruch. Aber dafür hätten Hotels und Gaststätten "immer gut tun". Wie die Verkäufer im Zelt für Szenezubehör neben der Stadthalle.

Dort ist vieles zu sehen, was an die wilde nordische Mythenwelt erinnert. Methörner, zum Beispiel, für das süße Bier mit Katergarantie; auch Ketten mit Thorhammer und Runenschmuck. Auf der Theke eines Buchhändlers dieses Mal im Angebot: "Wie man eyn teutsches Mannsbild bey Kräfften hält", gebunden, nur 8,95 Euro. Ein beliebtes T-Shirt- und Stickermotto lautet: "Odin statt Jesus".

Soweit die harmlos harte Heidenwelt, diese jugendlich gepimpte Version der Edda-Dichtung. Doch es gibt auch eine Kehrseite. Eine, die oft präsent ist, wenn Thorhämmer geschwungen und Methörner geleert werden. Burzum steht auf vielen der T-Shirts, die in Lichtenfels getragen werden.

Lesen Sie auf der nächsten Seite über die Probleme der Szene mit rechtsextremen Tendenzen.

Der Chef dieser Band, Varg Vikernes, sitzt wegen Mordes an einem anderen Musiker seit vielen Jahren im Gefängnis. Er gilt als Held der "National Socialist Black Metal"-Szene (NSBM) und hat oft seine Bewunderung fürs Dritte Reich ausgedrückt, wegen dessen Unterstützung der "Blutreligion". Burzum, sagt Ivo Raab, sei ein grenzwertiger Fall.

Der Sänger sei im Knast "durchgeknallt". Zwischen dem, was er heute von sich gebe und seiner früheren Musik müsse man unterscheiden.

Seitdem das ARD-Magazin "Polylux" 2006 über rechtsextreme Tendenzen im Pagan Metal berichtet hat, ist die Szene zumindest sensibilisiert. Am Zelt hängt ein Zettel, der die Gäste bittet, rechtsextreme Angebote sofort zu melden. Einen Stand, erzählt Ivo Raab, habe er schon dichtgemacht, weil da CDs von Bands wie Nordglanz ("völkischer Schwarzmetall") verkauft worden seien.

"Jede Kirchweih bei uns ist schlimmer als dieses Festival"

Leute, die entsprechende Embleme trügen, bitte er, diese zu entfernen. "Wer das nicht einsieht, fliegt." Die Polizei Lichtenfels meldet später zwei Delikte mit verfassungsfeindlichen Symbolen: ein Hakenkreuz, aufgemalt auf die Hand, und ein SS-Sticker an der Jacke.

Nach dem Gespräch mit dem Konzertchef nimmt Ingrid Raab, Ivos Mutter, den Besucher zur Seite und bittet darum, "das Festival nicht in die braune Ecke zu stellen". Die meisten Besucher sehen das ähnlich. Judith, 27, aus Bayreuth, und ihre Freundin Manu, 26, aus Erlangen, sagen, dass die "saugeilen" nordischen Mythen naturgemäß leider auch ein paar Neonazis anzögen.

"Da ist aber jede Kirchweih bei uns schlimmer als dieses Festival", sagt Judith, die mit ihren feuerrot gefärbten Haaren einen seltenen Farbklecks ins Publikum bringt. "Wenn die Bauern ihre Stammtischparolen rausholen, wird's richtig gruselig."

© SZ vom 31.3.2008/sekr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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