Grüner Bürgermeister:Umsturz in Lauf

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In der Industriestadt bei Nürnberg hat ein 40-jähriger Grüner der CSU das Bürgermeisteramt abgenommen. Auch im Stadtrat gibt es eine Mehrheit jenseits der CSU.

Peter Schmitt

Sich für eine Sache gründlich einzusetzen, hat Benedikt Bisping an besonderer Stelle in Bayern gelernt. Das war, als vor mehr als 20 Jahren in Wackersdorf Hunderttausende gegen den Bau einer Wiederaufarbeitungsanlage für Kernbrennstäbe protestierten und die Staatsregierung bürgerkriegsähnliche Zustände riskierte. Bisping machte als Leiter der Jugendorganisation des Bundes Naturschutz in Mittelfranken beim Widerstand gegen das Atomprojekt mit.

Clemens Bisping, neuer grüner Bürgermeister von Lauf (Foto: Foto: oh)

Darauf ist Bisping heute noch stolz. Der 40-jährige, selbständige Industriekaufmann wurde am Sonntag mit fast einer Zweidrittelmehrheit gegen seinen CSU-Konkurrenten zum Bürgermeister der Kreisstadt Lauf im Nürnberger Land gewählt. Bisping beendete eine beinahe 30 Jahre dauernde Regierungszeit der CSU in der 27.000 Einwohner zählenden Wohn- und Industriestadt vor den Toren Nürnbergs. Rathauschef Rüdiger Pompl war aus Altersgründen nicht mehr angetreten. Dass ein Grüner ihn beerben würde, war bei der CSU bis vor zwei Tagen undenkbar. Ihr Kandidat Rainer Deuerlein ging mit einem leichten Vorsprung in die Stichwahl.

Die Stammwähler der Ökopartei hätten für die 63 Prozent nicht ausgereicht. Bisping holte sich Stimmen aus allen Lagern, vor allem bei der SPD, aber auch bei den Freien Wählern, Liberalen und sogar der CSU. Vor der Stichwahl reiste selbst der Nürnberger SPD-Oberbürgermeister Ulrich Maly als Wahlkämpfer für ihn an. Die beiden kennen sich aus Wackersdorf. Auch Sepp Daxenberger, der vor zwölf Jahren erster grüner Bürgermeister in Bayern im Ferienort Waging wurde, stand Bisping auf dem Laufer Marktplatz bei.

Bisping sieht seinen Erfolg darin begründet, dass er in seinem Programm auf Kinderfreundlichkeit und eine nachhaltige Umwelt- und Energiepolitik setzt. In diesen Punkten müsse sich die CSU mehr bewegen, wenn sie in der Landtagswahl punkten wolle, sagte er der SZ.

Am 1. Mai zieht der Grüne von einem der Laufer Bahnhöfe ins Rathaus um. In dem vom Bund Naturschutz erworbenen Gebäude baute Bisping in den vergangenen zehn Jahren ein alternatives Reisebüro auf. Mit Touren zu Naturzielen in ganz Europa und Ferntrips nach Sibirien und in die Mongolei erarbeitete es sich einen Platz im boomenden Ökotourismus. Wer in Lauf bucht, verzichtet auf das Flugzeug und aufs Auto. Die Programme werden nach dem Energieaufwand pro Reisenden bewertet, und da schneidet die Bahn am besten ab. Den nächsten Stadtratsausflug plant Bisping auf der Schiene in den Nationalpark Bayerischer Wald.

Eine Mehrheit für seine Politik über die sechs Stimmen der Grünen hinaus zu finden, dürfte ihm leichtfallen. Seit 18 Jahren arbeitet die Ökopartei im Rathaus mit der FDP zusammen. Mit SPD und Freien Wählern reicht es für eine Regenbogenkoalition.

© SZ vom 18.03.2008/bosw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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