Gericht urteilt über den Höllbach:Höllenqualen

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Der Höllbach schlängelte sich einst durch ein Felsenlabyrinth. Heute ist er zu einem Bächlein verkümmert. Der Grund: Drei Kleinkraftwerke rauben ihm das Wasser. Jahrelang liefen sie ohne Erlaubnis - jetzt entscheidet das Gericht.

Christian Sebald

Die Hölle liegt ungefähr 30 Kilometer nordöstlich von Regensburg zwischen Brennberg und Rettenbach. "Man denke sich eine enge und tiefe Schlucht", heißt es in einem Führer über den vorderen Bayerischen Wald aus dem Jahr 1892. "Über diese hat sich in der Urzeit eine Felswand hineingestürzt und sie mit ungeheuren Granitblöcken angefüllt.

"Im Grunde der Schlucht, wo an heißesten Sommertagen fast eisige Kälte herrscht, zwängt sich der Wildbach durch das Felsenlabyrinth unter sinnbetörendem Getöse hindurch und bildet unterirdische Wasserfälle, die man ohnmächtig brausen hört, aber nicht sieht." In den Fluten tummelten sich Bachforellen, Steinkrebse und Flussperlmuscheln. Auch für inzwischen streng geschützte Arten wie den Eisvogel, die Wasseramsel und die Wasserspitzmaus war die Hölle mit ihrem Linden-Auwald ein idealer Lebensraum.

Heute ist von der Urtümlichkeit nur noch wenig zu spüren. Der einst so mächtige Wildbach ist zu einem Bächlein verkümmert, Flussperlmuscheln findet man schon lange keine mehr. Auch die Vorkommen von Steinkrebsen und Bachforellen, Eisvögeln, Wasseramseln und Wasserspitzmäusen sind massiv geschrumpft, Fachleute halten die Bestände für gefährdet.

Der Grund: "Der Höllbach ist so für die Nutzung der Wasserkraft zugerichtet worden, dass nur mehr Reste der vormaligen Ursprünglichkeit zu spüren sind", sagt Peter Streck vom Regensburger Bund Naturschutz.

Diesen Freitag könnte sich das Schicksal der Hölle wenden. Dann verhandelt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) über eine Klage des Bundes Naturschutz zur Nutzung der Wasserkraft am Höllbach. Streck hofft, dass der VGH strenge Auflagen erlässt, damit sich der Zustand der Hölle nicht weiter verschlechtert.

Der Streit um die Hölle steht exemplarisch dafür, dass in den vergangenen hundert Jahren in Bayern stets der Naturschutz den Kürzeren gezogen hat, wenn es um den Ausbau der Wasserkraft ging. Und zwar auch dann, wenn der jeweilige Bach- oder Flusslauf eines der hochwertigsten Naturschutzgebiete im Freistaat war und die Wasserkraftwerke dort vergleichsweise wenig Strom produzieren.

Die Geschichte der Wasserkraft am Höllbach geht zurück auf das Jahr 1909. Damals gründete Rupert Heider das Elektrizitätswerk Wörth/Donau und die Höllbach-Kraftwerke. Ein Jahr später nahm Heider in der Heilsberger Mühle das erste 50-PS-Wasserkraftwerk am Höllbach in Betrieb.

Heute sind es drei kleine Kraftwerke mit einer Leistung zwischen 560 und 1400 Kilowatt, die das Familienunternehmen in dritter Generation betreibt. Die Kraftwerke produzieren gerade mal 8,3 Millionen Kilowattstunden Strom im Jahr. Das entspricht der Leistungskraft von zwei mittelgroßen Windrädern und ist ungefähr so viel, wie 2500 Drei-Personen-Haushalte verbrauchen.

Was den Naturschützer Streck so fassungslos macht, ist die Tatsache, dass die Familie Heider die Anlagen die meiste Zeit ohne Erlaubnis betrieben hat. Zwar investierte sie ab 1916 massiv in ihren Bau. Aber die erste Genehmigung datiert aus dem Jahr 1958. Da war die Hölle seit acht Jahren ein Naturschutzgebiet. Schon damals hagelte es Kritik. Auch Professor Otto Kraus, der erste Landesbeauftragte für Naturschutz und damit der erste amtliche Naturschützer in Bayern überhaupt, meldete sich immer wieder zu Wort. Doch es scherte keinen. Die Firma Heider durfte sogar immer noch mehr Wasser für ihre Turbinen aus dem vormaligen Wildbach ableiten.

Gut 30 Jahre später, 1989 und 1991, witterten die Naturschützer eine neue Chance für die Hölle. Damals liefen die Konzessionen für zwei Kraftwerke aus, sie mussten verlängert werden. "Wir wollten wenigstens das Schlimmste wieder gutmachen", sagt Streck. "Im Höllbach sollte zumindest so viel Wasser fließen, wie in der ersten Genehmigung von 1958 festgeschrieben war."

Weit gefehlt. Das Landratsamt Regensburg ließ sich 17 Jahre Zeit für den neuen Bescheid. "Und hat dann bis auf winzige Details alles beim Alten belassen", sagt Streck. "Und das, obwohl die Beamten selbst festgestellt haben, dass die drei Kraftwerke nach heutigen Maßstäben nicht mehr genehmigt werden dürften. Da haben wir gar nicht anders können, als dagegen zu klagen."

Tatsächlich widerrief das Verwaltungsgericht Regensburg ein Jahr später die neue Genehmigung - aus eher formalen Gründen. Die Firma Heider hatte in den zurückliegenden Jahrzehnten immer wieder die Rechtsform gewechselt und dies dem Landratsamt nicht kundgetan. Das Versäumnis wog so schwer, dass das Gericht den neuen Bescheid kassierte.

Gleichwohl ist man sich am Landratsamt und bei der Firma Heider keinerlei Fehler bewusst. Im Gegenteil. Man habe sich die Genehmigung nicht leicht gemacht und sehr sorgfältig gearbeitet, sagt ein Sprecher zu den 17 Jahren Verfahrensdauer. Allein die Akten hätten etliche tausend Seiten umfasst. Zugleich gab er sich zuversichtlich, dass der Bescheid vor dem VGH Bestand habe. Das tut auch Rupert Heider, der Enkel des Gründers der Höllbach-Kraftwerke und ihr jetziger Chef.

Heider hat kein Verständnis für die Kritik der Naturschützer. "In der Hölle ist nichts kaputtgegangen, das weiß keiner besser als ich", sagt der 56-Jährige. "Denn die Hölle haben wir schon als Buben durchwandert. Die hat damals genauso ausgesehen wie heute."

© SZ vom 18.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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