Gammelfleisch:Trotz Hinweisen keine Prüfung

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Die Existenz weiteren Ekelfleisches war den Behörden offenbar bekannt. Trotzdem sah ein Kontrolleur den verdächtigen Betrieb nur von außen an.

Die Existenz von Gammelfleisch in einer bayerischen Firma war den Behörden einem Fernsehbericht zufolge schon seit längerem bekannt. Wie das Bayerischen Fernsehen (BR) berichtete, hatten die Behörden schon vor etwa zwei Wochen Hinweise auf Unregelmäßigkeiten in der Wertinger Firma bekommen.

Fleischkontrolle beim Veterinäramt Dillingen: Von außen nichts Verdächtiges zu entdecken (Foto: Foto: ddp)

Ein Nachbar habe damals das Veterinäramt des Landratsamts Dillingen über verdächtige Fleischlieferungen informiert. Die Sprecherin des Bundesverbraucherministeriums, Ulrike Hinrichs, sagte der Nachrichtenagentur AFP, das Ministerium habe diesen Bericht zur Kenntnis genommen und prüfe jetzt die Vorgänge.

Gegenüber dem BR räumte das Veterinäramt des Landratsamtes Dillingen ein, trotz dieser Informationen keine unangemeldete Kontrolle des Betriebs Wertfleisch vorgenommen zu haben. Ein Lebensmittelkontrolleur habe lediglich auf dem Nachhauseweg den Betrieb von außen mehrfach beobachtet, ohne dass ihm Verdächtiges aufgefallen sei.

Am Dienstag war bekannt geworden, dass bei der Wertinger Firma am Freitag nach dem Hinweis eines Lkw-Fahrers 11,4 Tonnen an ungenießbarem Rind- und Putenfleisch gefunden worden waren, die an Döner-Hersteller verkauft werden sollten. Im Juli hatte das Unternehmen nach Angaben der Memminger Staatsanwaltschaft bereits 20 Tonnen Fleisch, das nur noch als Tierfutter geeignet war, an Berliner Döner-Hersteller verkauft.

Nach Angaben der Berliner Lebensmittelaufsicht bezog der Döner-Hersteller im von der Staatsanwaltschaft ermittelten Zeitraum aber nur 14 Tonnen von für Menschen nicht genießbarem Fleisch, so genanntem K3-Material, von der Firma Wertfleisch. Diese seien höchstwahrscheinlich vollständig verzehrt worden.

"Seehofer untätig beim Verbraucherschutz"

Der Hersteller habe das Fleisch außer nach Berlin auch an Döner-Buden in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Hamburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein geliefert. Gegen den Hersteller werde nicht ermittelt. Er habe das Fleisch allerdings zu einem Preis "an der unteren Grenze" eingekauft.

Verbraucher-Staatssekretär Gert Lindemann hatte der Passauer Neuen Presse nach Bekanntwerden des Skandals gesagt, der Fall habe gezeigt, "dass die Mechanismen gegen Handel mit Gammelfleisch funktionieren". Hinrichs betonte am Abend, diese Äußerungen habe Lindemann vor der Veröffentlichung des Fernsehberichts gemacht.

Sie fügte hinzu, dass das Verbraucherschutzministerium nach den vorangegangenen Gammelfleischskandalen mehrere gesetzgeberische Maßnahmen eingeleitet habe, unter anderem das Verbraucherinformationsgesetz.

Die verbraucherpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Ulrike Höfken, nannte Seehofer dagegen "untätig" beim Verbraucherschutz. Seehofer habe beim Verbraucherinformationsgesetz die Chance verpasst, für Transparenz und Offenlegung von Missständen zu sorgen.

Vertreter von Branchengewerkschaften fordern unterdessen einen besseren Informantenschutz. "Mitarbeiter aus Fleischbetrieben sollten anonym bleiben können, wenn sie den Behörden Hinweise auf kriminelle Machenschaften geben", sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, Franz-Josef Möllenberg, der Passauer Neuen Presse.

Jeder Beschäftigte, der bei der Aufklärung helfe und danach gekündigt werde, solle einen Anspruch auf mindestens 18 Monate Entgeltfortzahlung erhalten. "Das hätte Abschreckungswirkung auf jeden, der auf kriminelles Geschäftemachen mit Fleisch aus ist", führte Möllenberg laut Vorab-Bericht aus.

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