Gabriele Pauli:Ein neuer politischer Weg

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Gabriele Pauli hat auf ihrer Homepage den Brief an Parteichef Erwin Huber veröffentlicht, in dem sie ihren Austritt aus der CSU begründet. sueddeutsche.de dokumentiert das Schreiben im Wortlaut.

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, lieber Erwin Huber,

Öffentlicher Brief an CSU-Parteichef Huber: Gabriele Pauli erklärt ihren Austritt aus der Partei. (Foto: Foto: dpa)

die CSU ist seit 30 Jahren meine politische Heimat. Sie ist eine Volkspartei und sollte daher, um ihrem eigenen Anspruch gerecht zu werden, offen für ein breites Spektrum an politischen Positionen sein. Gerade diese Offenheit ist Garant für eine am Bürger orientierte Politik, die die Wünsche der Menschen versteht und ernst nimmt.

Viele Bürger in Bayern fühlen sich von den politischen Parteien nicht ausreichend vertreten, auch nicht von der CSU, die nur ein Drittel der Wahlbevölkerung hinter sich hat. Als Parteivorsitzender mag ein gutes Wahlergebnis bei Landtagswahlen für Sie zwar befriedigend sein, gesamtpolitisch ist es alarmierend, dass fast die Hälfte der Bayern nicht mehr zur Wahl geht.

Politiker haben den Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsverlust selbst zu verantworten. Für mich bedeutet politisches Engagement, mich für Bürger so einzusetzen, dass sie sich ehrlich vertreten fühlen. Wer sich für andere einsetzt, sollte das unabhängig vom eigenen Ansehen und Status tun. Nur so ist Politik glaubhaft. Viele Politiker in unserer Partei haben dieses Ziel aus den Augen verloren, versuchen, ihre persönliche Stellung zu wahren, und ordnen die offene Diskussion dem eigenen Machtstreben unter.

Ich habe im Parteivorstand immer wieder erlebt, wie einzelne, auch Minister, entgegen ihrer Überzeugung reden und handeln, weil sie sich dadurch die Festigung ihrer eigenen Position erhoffen. Geschlossenheit und Solidarität müssen jedoch nicht durch Abhängigkeit und Angst herbeigeführt werden, sondern ergeben sich durch Überzeugungskraft der Ideen. Die CSU hätte es nicht nötig, ihre Parteitage zu inszenieren, wenn die Kraft der Argumente überzeugt. Dann ist Geschlossenheit die Folge der eigenen Überzeugungen.

Ich möchte meine Ideen, die christlich und sozial sind, nicht daran orientieren, ob ich ein Amt erreiche oder nicht. Diese Haltung, die von vielen Bürgern verstanden wird und die eigentlich alle politisch Tätigen als Leitidee haben sollten, wollte ich durch meine Kandidatur deutlich machen. Die Politik muss wieder zurück zu den Wurzeln kommen.

Warum machen wir Politik? Bei vielen führenden Politikern in unserer Partei werden Schlagworte strapaziert - das wirkliche Interesse am Schicksal vieler Menschen ist nicht mehr zu spüren. Als Kommunalpolitikerin erlebe ich, wie Hartz IV viele Menschen verzweifelt zurücklässt, wie Jugendliche mit beruflicher Perspektivlosigkeit kämpfen, wie alte Menschen sich abgeschoben fühlen. Menschlichkeit ist unseren Politikern nicht mehr anzumerken, sie sehen Menschlichkeit als PR-Instrument, um Stimmen zu gewinnen. Deshalb kehren viele Bürger den Parteien den Rücken, da sie diese unechten, vorgeschobenen Interessen spüren.

Es ist christlich und sozial, sich drüber bewusst zu werden, wem viele unserer Politiker wirklich dienen und welchen Schaden sie durch ihr Verhalten der Glaubwürdigkeit unseres gesamten politischen Systems zugefügt haben.

Gerade die CSU hätte hier als erste Partei einen neuen Stil des Politikverständnisses zeigen können. Deshalb habe ich auf dem Parteitag im September für den Vorsitz kandidiert, obwohl ich weiß, dass solche Überlegungen bei vielen erst am Anfang stehen. Ich möchte, dass sich diese offenen und grundlegenden Gedanken, die von vielen Menschen mit Hoffnung während des Parteitags begleitet wurden, weiterentwickeln. Ich möchte einen Kreis von Menschen finden, der für eine Politik der Offenheit steht, um einem neuen Denken, das sich viele ersehnen, Kraft zu verleihen.

Um Neuem Raum zu geben, muss man Altes loslassen. Ich trete deshalb mit sofortiger Wirkung aus der CSU aus. Das ist der Beginn eines neuen politischen Weges. Ich danke allen, die mich politisch unterstützt und freundschaftlich begleitet haben. Echte Freundschaften überdauern auch eine Parteimitgliedschaft, darauf freue ich mich.

Mit freundlichen Grüßen Dr. Gabriele Pauli

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