Florian Simbeck im Wahlkampf:Krass seriös

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Quereinsteiger: Der Schauspieler Florian Simbeck will mithilfe in den Bundestag einziehen. (Foto: DAH)

Mit Bürgernähe und "Burgerdialog": Die meisten kennen Florian Simbeck als Teil von "Erkan und Stefan". Seine Bekanntheit will er nutzen "um Gutes zu tun" - Simbeck will in den Bundestag. Doch die Rolle, die ihn bekannt machte, sie ist nun sein Gegner.

Von Kim Björn Becker

Florian Simbeck kommt 20 Minuten zu spät und muss erstmal auf die Toilette. Noch schnell ein kurzes Händeschütteln. "Ich verbringe nur noch Zeit im Auto", sagt er und verschwindet wieder, irgendwo hinter einer Tür. Die Fotos, für die er hergefahren ist, können noch zwei Minuten warten. Sie müssen warten. Fast eine Stunde hat die Fahrt von München ins 55 Kilometer nördlich gelegene Pfaffenhofen gedauert, ein Stau auf der A 9 hat den Zeitplan von Simbeck, 42, durcheinander gebracht. Den Tag hat er mit Proben für die Sendung "Die Komiker" beim Bayerischen Rundfunk verbracht, in dessen Ensemble Simbeck seit zwei Jahren ist. Die meisten aber kennen ihn noch als Teil des früheren Blödel-Comedy-Duos "Erkan und Stefan". Das war sein großer Erfolg, bis jetzt. Nun soll ein anderer dazu kommen, ein ganz anderer.

Auf der Fahrt von München nach Pfaffenhofen hat Simbeck seine Rolle als Komiker und Kabarettist abgelegt. Ausgestiegen ist er als Politiker.

Als Wahlkämpfer, um genau zu sein. Im Wahlkreis 215, der die Landkreise Freising und Pfaffenhofen umfasst, will Simbeck im September für die SPD in den Bundestag einziehen. Er macht viele Termine und viele Kilometer. An diesem Tag wird Simbeck in Pfaffenhofen für Wahlplakate fotografiert, zusammen mit dem dortigen Landtagskandidaten Markus Käser und Marianne Kummerer-Beck, die für den Bezirkstag kandidiert.

Als Florian Simbeck von der Toilette zurückkommt, ist der Fotograf schon bereit. Simbeck trägt ein weißes Hemd, die Ärmel hochgekrempelt, dazu Jeans und schwarze Lederschuhe. "Und lachen bitte!"

Simbeck lacht.

Eigentlich zieht er die Mundwinkel bloß ein wenig hoch. Keine Spur von dem breiten Grinsen, das man von seiner Rolle aus "Erkan und Stefan" kennt. Vielleicht ist es die Müdigkeit. Vielleicht steht da aber auch jemand vor der Kamera, der es leid ist, weiterhin als Idiot und Döner-Proll wahrgenommen zu werden. Und dieses Grinsen, das kennt eben jeder. Von Stefan.

Stefan. Simbeck, der gebürtige Ingolstädter, spielte diese Rolle jahrelang, sein Kollege John Friedmann mimte den Türken Erkan. Beide traten mit Trainingsanzügen und schiefen Basecaps auf und gingen, Handtücher um ihre Schultern gelegt, auf Frauenjagd. Türkdeutsch machten sie zum Markenzeichen, Worte wie "krass" sagten sie besonders oft und besonders gerne. Außerdem ging es in den Dialogen oft um Döner und um hübsche Frauen, "Bunnys". Simbeck und Friedmann drehten mehrere Kinofilme als "Erkan und Stefan", traten jahrelang im Privatfernsehen und einmal bei "Wetten dass" auf. Als "Doppelleben" beschreibt Simbeck diese Zeit heute. Selten sei er damals als Florian Simbeck, der Komiker und Schauspieler, aufgetreten, meistens wollten die Leute nur Stefan sehen. Und sie bekamen ihren Stefan. Bis 2007, da war Schluss.

Die Fotos gehen schnell, der Termin dauert nur knapp 20 Minuten. Kurze Zeit später sitzen Simbeck und sein politischer Ziehvater Markus Käser in einer Kneipe, nur wenige Meter vom Fotostudio entfernt. Käser war es, der Simbeck im vergangenen Jahr zur Kandidatur für die Sozialdemokraten überredet hat. "Ich habe es schon erlebt, dass Kandidaten ausfallen, wenn der Druck steigt", erzählt Käser. Bei Simbeck mache er sich keine Sorgen. "Als Kabarettist und Schauspieler bringt er die nötige Erfahrung mit." Ist die frühere Rolle aus "Erkan und Stefan" für eine Kandidatur nicht hinderlich? "Ich habe kein Problem mit dem Döner-Proll", sagt Käser.

Simbeck schon.

Es ist einer der seltenen Momente, in denen er ungehalten wird. Es "ärgert mich persönlich", sagt er, wenn Leute ihn mit seiner Figur Stefan verwechseln. Leute, damit meint er vor allem Journalisten. "Vom Proll zum Politiker", schrieb Spiegel Online, "Der Stefan ohne Erkan", titelte die Tageszeitung, und "Echt krasser ,Stefan' will in den Bundestag", so lautete die Überschrift im Focus. Der Wandel vom Volldeppen, über dessen Tölpeligkeit sich die Fernsehzuschauer amüsieren konnten, zum seriösen Politiker, dem sie nun ihre Stimme geben sollen, macht für viele das Interesse an der Kandidatur Simbecks aus. "Ich kann ja noch akzeptieren, wenn jemand sagt, der ist ein Schauspieler, der spielt sein politisches Engagement vielleicht nur", sagt Simbeck. "Aber man muss doch unterscheiden können zwischen der Person und der Rolle." Die Rolle, die ihn bekannt machte, sie ist nun Simbecks eigener Gegner.

Beobachter schätzen Simbecks Chancen, den Wahlkreis zu gewinnen, eher gering ein. Bei der letzten Wahl 2009 erhielt der CSU-Kandidat Franz Obermeier knapp 47 Prozent der Stimmen, der SPD-Kandidat nur etwa 14. In diesem Jahr tritt Erich Irlstorfer für die Christsozialen im Wahlkreis Freising und Pfaffenhofen an, er steht der Freisinger CSU seit 2008 vor und hat seit 2011 den Vorsitz in der dortigen Stadtratsfraktion. Außerdem sind in Freising die Grünen traditionell sehr stark. "Es wäre eine Sensation, wenn ich gewinnen würde", sagt Simbeck trotzdem. "Und nein, es ist nicht aussichtslos." Über Bürgernähe will er zu den Leuten durchdringen, das ist sein Plan. Dazu hat er gemeinsam mit Käser den sogenannten "Burgerdialog" ins Leben gerufen. Bürger können Simbeck zu sich nach Hause einladen, er bringt dann Buletten und Bier mit, brät Burger am mitgebrachten Grill und will so mit den Menschen ins Gespräch kommen. Mehrere Abende pro Woche verbringt Simbeck so mit Schürze hinter dem Grill. "Damit komme ich weiter, als wenn ich Flyer verteilen würde", sagt er.

Das Gespräch in der Kneipe dauert nur wenige Minuten, Simbeck muss weiter. Am Abend steht eine "Burgerdialog"-Veranstaltung in einer sozialen Einrichtung in Pfaffenhofen an. Den Grill und ein paar Zutaten hat Simbeck bei sich zu Hause in Reichertshausen. Die Fahrt mit seinem BMW-Kombi dauert nicht lange, es sind nur ein paar Kilometer. Auf der Landstraße fängt es an zu regnen. Im Fond des Wagens liegen zwei Kindersitze, sein Sohn und seine Tochter gehen noch zur Schule. Simbeck parkt seinen Wagen in der Einfahrt, räumt die Kindersitze weg und lädt den Grill sowie zwei Kühlboxen ein. Für etwa 30 Personen wird er an diesem Abend Buletten braten, so viele Gäste waren angekündigt. Er verabschiedet sich von seiner Familie, die Tochter hat an diesem Abend eine Theateraufführung. Die wird er verpassen. "Das ist jetzt einfach mal scheiße", sagt er und startet den Motor. "Das sind die Down- sides." Unterwegs hält er bei Markus Käser, auf der Terrasse machen sie den Grill sauber und laden Brötchen ein. Und dann müssen sie noch zum Metzger, das bestellte Fleisch abholen.

"Ich dachte, ich kann meine Bekanntheit vielleicht nutzen, um etwas Gutes zu tun", sagt Simbeck während der Fahrt auf die Frage, warum er sich ausgerechnet die Parteipolitik ausgesucht hat. Wobei es eigentlich Markus Käser war, der sich Simbeck für den Wahlkreis ausgesucht hat. Einen Monat Bedenkzeit habe er sich erbeten, sagt Simbeck. Dann sagte er zu.

Es regnet immer noch, als Simbeck und Käser zum "Burgerdialog" eintreffen. Das Auto mit dem Grill und den Zutaten parken sie gleich vor dem Haus, unter einem Vordach. Drinnen sitzen vielleicht 20 Mitarbeiter an Holzbänken. Das sind auch 20 potenzielle Wähler. Während Käser die Buletten brät, schneidet Simbeck die Brote auf und serviert die Burger.

Über Politik wird kaum gesprochen. Nur einmal, bei einer Raucherpause, steht Simbeck mit ein paar jungen Mitarbeiterinnen zusammen und hört sich ihre Sorgen an. "Was müsste sich ändern?", fragt er. "Die Bezahlung", entgegnet eine junge Frau knapp. Simbeck nickt. Es wird sein einziges längeres Gespräch über Politik an diesem Abend sein. Kein sehr ergiebiger Termin.

Einen Abend später sitzt Florian Simbeck im "Et Cetera" in Freising. Ein holzvertäfelter Raum, spärlich beleuchtet. Die katholische Arbeitnehmerbewegung hat ihn zur Vorstellung eingeladen, so wie sie alle Direktkandidaten in den kommenden Wochen zum Gespräch bittet. Simbeck ist der erste. Nur acht Leute sind gekommen. "Ich freue mich, dass Sie so zahlreich erschienen sind", sagt Simbeck höflich. Er stellt sich als Schauspieler vor, der vor vielen Jahren mit einem Freund Comedy gemacht hat, "Erkan und Stefan". Er erzählt von seinem Jurastudium, das er mit dem ersten Staatsexamen abgeschlossen hat. Und von seinem Engagement beim Bayerischen Rundfunk, das bringe ihm "die Butter aufs Brot". Dass Simbeck keine Reichtümer hortet, ist allgemein bekannt, seitdem sich der Boulevard vor einigen Jahren über seine Privatinsolvenz ausgelassen hat.

Eine Frau will wissen, ob das kein Gegensatz ist, Kabarett und Politik. Nein, meint Simbeck, als Kabarettist beobachte er sehr genau und sehe, wo etwas schieflaufe. Das sei für die Politik förderlich. Dann geht es doch noch um Inhalte. Was würde er politisch ändern, wenn er könnte, fragt jemand. "In sozialen Berufen muss sich einiges ändern", sagt Simbeck. "Pflegeberufe sollten attraktiver und besser bezahlt sein." Das war die Botschaft vom Grillabend zuvor. Florian Simbeck hat sie verstanden.

Und was er von der Agenda 2010 halte? "Ich bin kein Fan davon, aber ich kann verstehen, warum Schröder das gemacht hat", sagt Simbeck. So redet kein erfahrener Lokalpolitiker, das merken auch die Leute. Der Nimbus des Quereinsteigers könnte ihm viel Zuspruch bringen, wenn es ihm gelingt, neben Sympathie auch politische Kompetenz zu vermitteln. Die richtige Sprache zu finden, darum geht es jetzt, und immer noch um Schröders Agenda. "Jetzt geht es der Wirtschaft besser", legt Simbeck nach, Merkel müsse nachbessern. Und er fügt hinzu: "Ich werde keine arbeitgeberfreundliche Politik unterstützen." Ein Satz, für den er später in Internetkommentaren scharf kritisiert wird, weil er den SPD-Kritikern eine Steilvorlage liefert. Klassischer Anfängerfehler. Simbeck sagt, er sei da falsch zitiert worden.

© SZ vom 06.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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