Fall Georg Luxi:Vermisster Millionär aufgetaucht

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Zweieinhalb Jahre wurde nach Georg Luxi gesucht, auch die ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY" befasste sich mit dem Verschwinden des Millionärs. Jetzt wurde der 87-Jährige gefunden - in einer Klinik in Bayern in der Nähe seines ehemaligen Wohnorts. Der Fall bleibt rätselhaft.

Von Wolfgang Wittl

Als Evelyn Angerer am Donnerstag zur Mittagszeit einen Anruf erhielt, traute sie ihren Ohren nicht. Die Kriminalpolizei Deggendorf teilte ihr mit, dass ihr Vater gefunden worden sei. Angerers erste Frage lautete: "Lebend?"

Zweieinhalb Jahre hatte Angerer, 62, nach ihrem Vater Georg Luxi gesucht. Sie hatte Anwälte eingeschaltet, hatte Anzeigen aufgegeben, war in Fernsehsendungen gesessen. Sie erzählte die Geschichte eines dementen Rentners, der systematisch von seiner Lebensgefährtin und deren Sohn abgeschirmt werde. Niemand außer den beiden wüsste, wo der Mann steckte. Das Vermögen des Millionärs hatten sie in den vergangenen Jahren unbemerkt auf sich übertragen lassen. "Der Fall Georg Luxi" machte bundesweit Schlagzeilen.

Die Frage, die alle bewegte: Ist es in einem Rechtsstaat möglich, einen offensichtlich verwirrten Mann von der Bildfläche verschwinden zu lassen? Einfach so, ohne rechtliche Konsequenzen? Luxi hatte seiner mit ihm verschwundenen Lebensgefährtin Maria Schmidt und deren Sohn eine Vollmacht erteilt, als er sich schon nicht mehr im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte befunden haben soll. Beide nutzten diese Vollmacht, um Luxis Barvermögen von etwa einer Million Euro sowie mehrere Immobilien auf sich zu übertragen. Der Justiz seien die Hände gebunden, sagte die Deggendorfer Oberstaatsanwältin Kunigunde Schwaiberger. Sie ergänzte aber auch, sie habe "noch nie erlebt, dass man jemanden derart unter Verschluss halten kann". Das Polizeipräsidium Niederbayern erklärte, selbst erfahrene Ermittler der Kripo hätten "bisher nichts Ähnliches bearbeitet". Und doch geschah es.

Nachdem die Süddeutsche Zeitung den Fall im November 2012 erstmals publik gemacht hatte, gingen bei der Polizei erste Hinweise ein. Auch nach der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY" Mitte Januar meldeten sich Zeugen. Dass Luxi jetzt gefunden worden ist, ist offenbar aber auf andere Quellen zurückzuführen. Die Kripo bekam am Donnerstag einen Tipp, dass der 87-Jährige im Krankenhaus Zwiesel liege, knapp 40 Kilometer von seinem früheren Wohnort Deggendorf entfernt. Erste Mutmaßungen, das desaströse Hochwasser könnte eine Einweisung erfordert haben, dürften sich als falsch herausstellen. Vielmehr soll Luxi aus einem Krankenhaus im tschechischen Klatovy (Klattau) verlegt worden sein. Wie lange er sich dort womöglich aufgehalten hat, ist nicht bekannt. Ermittler hatten bereits vor Monaten Hinweise erhalten, Luxi sei von seiner Lebensgefährtin ins Ausland gebracht worden. Diese könnten sich nun als wahr erweisen.

Für die Polizei ergeben sich durch Luxis Auftauchen nun "neue Ermittlungsansätze". Wie zielführend diese sein werden, bleibt abzuwarten. Laut Staatsanwaltschaft sei der 87-Jährige "derzeit nicht vernehmungsfähig". Seine Tochter geht nicht davon aus, dass sich an diesem Zustand jemals etwas ändern wird. Ihr Vater sei nicht ansprechbar und befinde sich in einem katastrophalen Zustand, sagte Angerer, nachdem sie ihn am Freitag zum ersten Mal seit Dezember 2010 wieder gesehen hatte. Angeblich habe Luxi einen Schlaganfall oder schweren epileptischen Anfall erlitten.

Auf dem Flur im Zwieseler Krankenhaus sei es auch zu einem unschönen Treffen mit Maria Schmidt und deren Sohn gekommen, das mit einem "Streitgespräch" geendet habe, schildert Angerer. Beide Seiten liefern sich seit Monaten eine juristische Auseinandersetzung mit gegenseitigen Beschuldigungen und Strafanzeigen. Die von Angerer und ihrer Schwester erwirkte Kontrollbetreuung für ihren Vater etwa wurde "mangels Zustellungsmöglichkeit" wieder aufgehoben, da Luxi über keinen bekannten Aufenthaltsort verfügt habe. Dabei hatte das Landgericht Deggendorf diese Kontrollbetreuung erst Monate zuvor wegen "Gefahr in Verzug" und "konkreter Zweifel an der Redlichkeit der Bevollmächtigten" angeordnet - also Zweifel an Maria Schmidt und deren Sohn. Dieser erklärte in einem Brief an die SZ, Luxi habe sich auf eigenen Willen zurückgezogen.

Manchmal komme man mit dem Betreuungsrecht nicht mehr weiter, dann würden nur noch die Mittel des Strafrechts helfen, sagte ein Anwalt, der den Fall als skandalös bezeichnete. Doch obwohl Luxis Töchter die Anzeige gegen Schmidt und ihren Sohn auf Unterschlagung und Freiheitsberaubung ausweiteten, ging in der Sache nichts voran. Schmidts Sohn macht als Beschuldigter von seinem Recht Gebrauch, die Aussage zu verweigern. Gleiches könnte nun für die Vernehmungen seiner Mutter zu erwarten sein, die kommende Woche beginnen sollen. Sollten sich keine weiteren Zeugen finden, müsste das Verfahren letztlich wohl eingestellt werden.

Angerers derzeitiger Anwalt Volker Thieler, ein Spezialist für Betreuungsrecht, will alles dafür tun, dass es nicht dazu kommt. "Einen derart dreisten Fall von Erbschleicherei wie diesen habe ich in 30 Jahren nicht erlebt", sagte Thieler unlängst. Er hat seine Mandantin stets darin bestärkt, noch mehr an die Öffentlichkeit zu gehen. Am Freitag sei sie von einem Kamerateam des WDR in die Zwieseler Klinik begleitet worden, berichtet Angerer.

Was sie denn empfinde, dass sie ihren Vater noch einmal gesehen habe? Evelyn Angerer muss ein bisschen überlegen. Sie sei froh, sagt sie zögernd, das schon: "Aber es war ein schlimmer Anblick, ich bin immer noch ganz geschockt."

© SZ vom 08.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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