Europameisterschaft der Metzger:Saubere Arbeit

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Die Königsdisziplin bei dieser Europameisterschaft: das Entbeinen einer Rinderpistole. Der Straubinger Jungmetzger Stefan Wenisch will den Fleischerwettbewerb gewinnen. Dabei ist er unter Jungmetzgern schon so etwas wie ein kleiner Star. Selbst in der Bravo war er schon.

Von Max Zierer, Augsburg

Es ist kein schönes Geräusch, wenn ein Fleischermesser an einem Rinderknochen entlang schabt. Aber Stefan Wenisch will Europameister werden. Deshalb setzt er sein Messer oben an der Kugel des mächtigen Oberschenkelknochens an, so wie er es gelernt hat. Mit einem präzisen Schnitt löst er ihn von den Muskelmassen ab, die einmal den Gang des Jungrinds stabilisiert haben. Am Knochen darf kein Fetzen Fleisch zurückbleiben, sonst droht Punktabzug. Was hängen bleibt, schabt Wenisch deshalb sorgfältig mit der Messerkante ab. Damit er sich nicht verletzt, steckt seine linke Hand in einem Kettenhandschuh.

Um für das Metzgerhandwerk zu werben, veranstalten die Fleischerverbände Wettbewerbe, bei denen die talentiertesten Jungmetzger in verschiedenen Disziplinen gegeneinander antreten. Die Königsdisziplin ist das Entbeinen einer Rinderpistole. So nennen Metzger das große Stück aus Hinterbein und einem Teil des Rinderrückens, das jetzt vor Wenisch auf dem Tisch liegt. Sein Rekord liegt bei 17 Minuten. "Im Akkord kann man ein Rinderviertel in drei Minuten entbeinen, aber bei Wettbewerben kommt es vor allem auf die Gründlichkeit an", erklärt er.

Die Kampfrichter sind streng. Sie begutachten das zerlegte Stück Fleisch genau, und bewerten zum Beispiel, ob die Knochenhaut eingerissen ist, oder nicht. Wenischs Trainingsplatz, die Fleischerschule Augsburg, gehört dem Bayerischen Fleischerverband und ist die modernste ihrer Art in Deutschland. Von 2005 bis 2009 wurde sie aufwendig renoviert. Die Schüler kommen aus dem gesamten Bundesgebiet, einige auch aus Paraguay, Japan oder Australien. Sie tragen die bayerischen Wursttraditionen in ihre Heimatländer.

Direkt angeschlossen ist ein Internat mit 94 Betten. Die Meisterschüler schlafen in Einzelzimmern. Lehrlinge, die im Rahmen der überbetrieblichen Ausbildung nach Augsburg kommen, teilen sich ein Doppelzimmer. Die Wurst, die die Schüler am Frühstückstisch verzehren, wird von ihnen selbst produziert.

Schulleiter Robert Baur erklärt: "Wir lassen Verbandswissen in den Unterricht einfließen, dadurch sind wir gegenüber privaten Schulen im Vorteil." Neben Metzgern bildet die Augsburger Fleischerschule auch Verkaufsleiter, Ernährungsberater und Betriebswirte im Handwerk aus. Auch die Metzger lernen in den modernen Schulungsräumen unter anderem Buchhaltung und die Details der Hygieneverordnungen. Die Teilnahme am dreimonatigen Meisterkurs kostet zwischen 3000 und 4000 Euro.

"Wir veredeln das Fleisch hauptsächlich"

Stefan Wenisch ging nach der Lehrzeit im niederbayerischen Mallersdorf auf die Fleischerschule. Eine Prüfung fehlt dem 20-jährigen Straubinger noch, bis er sich Meister nennen darf. Wie die meisten hier kommt er aus einer Metzgerfamilie und wird irgendwann den elterlichen Betrieb übernehmen. Unter Jungmetzgern ist er aber schon so etwas wie ein kleiner Star. Selbst in der Bravo war er schon. Im November gewann er den Bundesleistungswettbewerb. Seitdem ist er für die Europameisterschaft in Frankfurt qualifiziert, die Anfang Mai im Rahmen einer Fachmesse stattfindet. Dort wird Wenisch zusammen mit der Zweitplatzierten Jaqueline Wohland die deutsche Mannschaft bilden.

Robert Drexel unterstützt Wenisch bei der Vorbereitung auf die Europameisterschaft. Der Ausbildungsleiter der Fleischerschule stellt hohe Anforderungen. Eigentlich bringt er den Schülern bei, wie man Bratwürste befüllt, Fleischplatten anrichtet und mit den hochmodernen Wurstmaschinen umgeht, die so viel kosten wie Mittelklassewagen. "Viele haben noch das Bild des etwas grobmotorischen Metzgers im Kopf, der Schweine schlachtet und sonst nicht viel macht", sagt er. "Aber wir veredeln das Fleisch hauptsächlich."

In der Augsburger Schule wird deutlich, wie sich das Berufsbild gewandelt hat. Der Unterricht wird hier mit Videokameras auf Leinwände projiziert, die Brühtemperatur im Wurstkessel elektronisch bestimmt. Die Kurse sind voll. Von dem Nachwuchsmangel, über den viele der 2342 Metzgereibetriebe im Freistaat klagen, merken die Augsburger nicht viel. Trotzdem sagt Schulleiter Baur: "Wir müssen den Menschen noch besser erklären, dass das Metzgerhandwerk ein moderner Beruf ist." Die Schüler sollen sich an den Berufsalltag gewöhnen. Das heißt: Der Unterricht beginnt um sechs Uhr morgens, Frühstück gibt es erst um acht. Ausbilder Drexel legt Wert auf Disziplin und Ordnung. Trotzdem ist der Umgang freundlich. "Manchen müssen wir aber erst noch Grundtugenden beibringen", sagt er.

Die Keule des Jungrinds, die Stefan Wenisch an diesem Morgen zerlegt hat, wog um die 45 Kilogramm. Ein kleineres Exemplar. Jetzt liegen die einzelnen Knochen säuberlich aufgereiht vor ihm, das Fleisch ist bereit, um filetiert zu werden. Zwei Rinderpistolen bearbeitet Wenisch in der Woche. Vor Wettkämpfen trainiert er auch am Wochenende in der heimischen Metzgerei. "Natürlich will ich den Wettbewerb gewinnen, das war immer schon mein Traum", sagt er. Die Konkurrenz in Frankfurt ist stark - vor allem Niederländer, Franzosen und Österreicher werden hoch gehandelt. Aber Wenisch rechnet sich trotzdem Chancen auf den Sieg aus.

© SZ vom 19.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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