Elternzeit:Der Wickelvolontär der CSU

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Als "Wickelvolontariat" hat die CSU einst die Elternzeit für Väter verspottet. Ausgerechnet ein Politiker aus den eigenen Reihen ist nun bundesweit der erste Landrat, der zu Hause bleibt.

Wie hat die CSU-Spitze doch gespottet. Über das "Wickelvolontariat" lästerte CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer, als Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) das Elterngeld mit zwei Vätermonaten für Männer attraktiv machen wollte.

Wickelvolontär der CSU: Stefan Rößle. (Foto: Foto: AFP)

Nach dem Erfolg des Modells tönt bei den Christsozialen niemand mehr. Nicht nur, dass die bayerischen Väter nur knapp hinter denen aus Mecklenburg-Vorpommern am zweithäufigsten eine Auszeit nehmen. Nun hat auch noch der CSU-Landrat von Donau-Ries, Stefan Rößle, eine Babypause angekündigt.

Nach einem Bericht der Zeit ist er der erste Landrat in Deutschland, der Elternzeit nimmt. Das vor vier Monaten zur Welt gekommene Töchterchen Maike ist für das Ehepaar Rößle das fünfte Kind: Vor 17 Jahren bekamen sie Zwillingstöchter, vor 14 Jahren den einzigen Sohn, vor neun Jahren eine weitere Tochter. Und nun also die Nachzüglerin, die mit den für Anfang nächsten Jahres geplanten Vätermonaten zwei Monate lang hundert Prozent von ihrem Papa haben soll.

Maikes Geschwister hatten in den vergangenen Jahren eher unter der Karriere des 44-Jährigen gelitten. Im Jahr 2002 schaffte es der damalige Bürgermeister des 2400-Seelen-Orts Oberndorf am Lech, der SPD den Landratsposten abzunehmen. Bei der Kommunalwahl in diesem März wurde er ohne Gegenkandidat mit 94,2 Prozent bestätigt. Anschließend wurde Rößle außerdem zum Vorsitzenden der Kommunalpolitischen Vereinigung (KPV) der CSU gewählt.

Für die Christsozialen, die wohl so stark wie keine andere Partei im ländlichen Raum verankert sind, ist das eine ihrer Herzkammern. 15.000 Kommunalpolitiker vertritt der Schwabe nun in der CSU. Ein Sitz im Parteivorstand und Einfluss aufs Parteiprogramm inklusive. Den will Rößle auch für eine moderne Familienpolitik nutzen.

"Ich komme zu nichts mehr"

Was politisch eine steile Karriere bedeutet ist familiär aber ein Absturz für den Landrat: "Ich komme zu nichts mehr. Selbst das Rasenmähen muss meine Frau übernehmen." Bei den Zwillingen hatte er noch mithelfen können. Damals war Rößle Beamter bei der Kriminalpolizei und hatte durch seinen Schichtdienst immer mal wieder über Tag Zeit. "Da habe ich eingekauft, gekocht, die Mädchen betreut."

So weit Rößle in der Familie von manchen alltäglichen Problemen entfernt ist, so nah erlebt er sie aber immer wieder als Landrat. Kürzlich rief er deshalb ein von der Wirtschaft unterstütztes Bündnis für Familien ins Leben, das Müttern und Vätern die Erziehung erleichtern soll.

In den Tagen vor der Vorstellung des Projekts reifte sein Entschluss, mit gutem Beispiel voran zu gehen. Er habe damals zufällig einen Artikel über das Elterngeld gelesen. "Wieso kann das nicht auch mal der Chef selber machen?", habe er sich daraufhin gefragt.

Spontaner Applaus der Kollegen

Der Chef kann das selber machen, war Rößles Antwort: Er verabredete mit seinem Stellvertreter, dass dieser in den zwei Monaten seine Geschäfte führt. Wichtige politische Aufgaben wie das Verabschieden des Haushalts zog er soweit vor, dass sie vor seine Auszeit fallen. "Ich will und werde mich dann auch ganz raushalten."

Als Rößle im Kreistag seinen Entschluss bekannt gab, brandete spontaner Applaus auf - von der gemeinsamen Fraktion aus Linken, Frauenliste und Grünen. Bei der CSU herrschte dagegen betretenes Schweigen, berichtet Rößle. Bei manchen sitze das alte Denken, wonach sich nur die Frauen um die Kinder kümmern, halt noch tief, sagt er über seine Parteifreunde.

Der Politiker Rößle freut sich nun darauf, "nicht mehr Chef, sondern Mitarbeiter meiner Frau zu sein". Gleichzeitig will er statt mit den üppigen Landratsbezügen mit dem Elterngeld von in seinem Fall 1800 Euro monatlich auskommen. Nur um eines macht Rößle sich noch Sorgen: Dass sich seine Frau überlegt, außer ein paar bereits geplanten Tagen mit Freundinnen in den zwei Monaten für längere Zeit von ihrem Stressjob Hausfrau auszusteigen und alleine in den Urlaub zu fahren. "Das darf sie mir nicht antun."

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