Ekelfleisch-Skandal:Wildhändler sieht sich als Opfer

Lesezeit: 2 min

Hygienemängel, Betrug, Verstoß gegen das Lebensmittelrecht - doch der umstrittene Fleischhändler Berger zeigt keine Einsicht. Im Gegenteil: Er dreht den Spieß einfach um.

Ekkehard Müller-Jentsch

Bei Kontrollen in seinen Betrieben wurden immer wieder schwere Hygienemängel beanstandet. Und laut Strafurteil hat er betrogen sowie gegen das Lebensmittelrecht verstoßen. Trotzdem betrachtet sich der frühere Passauer Wildfleischhändler Karl-Heinz Berger als Opfer: Bayerns damaliger Verbraucherschutzminister Werner Schnappauf (CSU) habe mit voreiligen Presseerklärungen über angebliche Gammelfleisch-Funde Anfang 2006 seine Firma "kaputtgemacht".

Der frühere Passauer Wildlfeischhändler Karl-Heinz Berger (hier ein Foto seines Firmensitzes aus dem Jahr 2006) verklagt den Freistaat Bayern. (Foto: ag.dpa)

Der Fleischhändler verlangt vom Freistaat nun 7,2 Millionen Euro Schadenersatz. Wahrscheinlich werde es aber schon bald um weitere 15 Millionen gehen, lässt sein Anwalt Horst Koller wissen. Über Bergers Amtshaftungsklage wurde am Mittwoch im Münchner Justizpalast verhandelt.

"Wildfleischprodukte der Firma Berger Wild GmbH in Passau werden zurückgerufen", faxte das Verbraucherministerium am 24. Januar 2006 an alle Redaktionen. Lebensmittelkontrolleure hätten Chargen gefunden, "die ranzig, stickig, muffig oder sauer rochen - bei sechs von neun untersuchten Fleischproben hatte der Fäulnisprozess bereits eingesetzt". Es folgte eine Liste mit Produkten, die "für den Verzehr ungeeignet" seien. Tags darauf erklärte der Minister, dass eine Probe "sogar mit Salmonellen belastet" sei: "Das Ganze hat das Zeug zu einem handfesten Fleischskandal."

Als das Landshuter Landgericht im Herbst 2006 Berger dann wegen Betrugs zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilte, betonte der Richter jedoch, dass tatsächlich keine hygienisch bedenkliche Ware ausgeliefert worden sei - eine Gesundheitsgefährdung habe nie im Raum gestanden. Selbst Hunderte Kilo Fasanenfleisch, dessen Verarbeitung Kontrolleure als eklig eingestuft hatten, seien ohne bakteriellen Befund gewesen.

Vielmehr hatte Berger preisgünstiges Hirschfleisch als sehr teures Elchfleisch an die Möbelkette Ikea verkauft oder Frischfleisch systematisch mit aufgetauter Tiefkühlware ergänzt. Ein Angriff auf die Gesundheit der Verbraucher habe jedoch nicht stattgefunden, stellte Richter Alfons Gmelch fest. Bergers damaliger Anwalt Hartmut Finger erklärte daraufhin, dass Schnappauf eine "Hexenjagd" auf Berger betrieben habe, und kündigte eine Millionen-Klage an.

Vor der 15. Zivilkammer am Landgericht MünchenI war es nun soweit. Dem Ministerium wird vorgeworfen, die - noch dazu falsche - Verbraucherwarnung ohne ausreichende rechtliche Grundlage veröffentlicht zu haben. Solch eine Warnung sei nur im Falle einer Gesundheitsgefährdung zulässig. Diese habe jedoch nicht vorgelegen. Es wäre ausreichend gewesen, Berger die Chance zu einer eigenen Rückrufaktion zu geben. Zudem verstoße das damals gültige Verbraucherinformationsgesetz, auf das sich Schnappauf berufe, gegen höherrangiges Europarecht.

Für den Freistaat konterte Rechtsanwalt Gero Himmelsbach: Berger habe kaum Schäden erlitten, da er wesentliche Teile seine Firma preiswert aus der Insolvenzmasse zurückkaufen konnte. Im Übrigen sei in der Pressemitteilung nur von "Genussuntauglichkeit" die Rede gewesen, aber nicht von Gefahren für die Gesundheit. Bergers eigener Vorschlag zur Unterrichtung der Öffentlichkeit sei dagegen völlig unzureichend gewesen. Und im Übrigen sei Schnappauf für die reißerische Berichterstattung in den Medien nicht verantwortlich zu machen - man solle doch bei denen Schadenersatz einklagen, hieß es sinngemäß.

Mit einem schnellen Urteil in diesem Fall ist nicht zu rechnen - schon gar nicht darf Berger rasch auf Geld hoffen: Der Vorsitzende Richter Frank Tholl machte deutlich, dass die Kammer auf jeden Fall erst die komplizierte Rechtslage klären und dann in einem Teilurteil darlegen werde. Die Beweislast für eine Amtspflichtverletzung liege bei Berger, der müsste dem Gericht dazu noch Fakten liefern. Und auch die Aufschlüsselung der behaupteten finanziellen Schäden sei bisher "rudimentär".

Dem Vorschlag des Freistaats, Berger solle die Medien auf Schadenersatz verklagen, konnte das Gericht aber offensichtlich nichts abgewinnen: Angesichts einer vom Minister an Funk und Zeitungen verschickten Presseerklärung "sehen wir das kaum", sagte der Vorsitzende. Bevor das Verfahren fortgesetzt wird, bekommen die Anwälte die Rechtsauffassung des Gerichts noch schriftlich, können sich dazu äußern - und erst dann wird festgelegt, wie und wann weiter verhandelt wird.

Berger ist längst wieder im Wild-Geschäft: Er betreibt mit seiner Frau die österreichische Firma Hochländer, die ehemals zum Flick-Imperium gehörte.

© SZ vom 01.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: