Ein Problembär erzählt:Ihr nanntet mich Bruno

Lesezeit: 3 min

Der Bär ist los: Bruno haut in die Tasten und veröffentlicht seine Autobiografie als exklusiven Fortsetzungsroman bei sueddeutsche.de! Hier die 1. Folge: "Prolog im Bärenhimmel". Belauscht und protokolliert von Christian Kortmann

Mit dem Himmel ist es so eine Sache: Stets schwebt er über uns, mal hellblau, mal weiß getupft, mal grauschwarz bewölkt, und wenn man in die sternenklare Nacht blickt, raubt einem seine Unendlichkeit den Atem. Nicht nur für religiöse Menschen, die in ihm eine paradiesische Metapher sehen, ist seine unergründliche Weite ein metaphysischer Trost, eine Hoffnung, dass es nach ihrem Tod irgendwie weitergeht.

Bruno genießt seinen schwer verdienten Ruhm in vollen Zügen. Gerade liegt er in der Bucht eines Sees, in dessen Ufer Whirlpooldüsen eingebaut sind. (Foto: Foto: dpa)

Wem's hilft, der mag dran glauben, aber Beweise für solch ein himmliches Reich gibt es keine. Vielmehr spricht alles dafür, dass "above us only sky" und "no heaven" ist, wie John Lennon in "Imagine" singt.

Bären haben es in dieser Hinsicht besser. Sie kennen keine metaphysischen Sehnsüchte, nun ja, nur sehr rudimentäre, dafür gibt es ihren Himmel, den Bärenhimmel, wirklich. Und der ist so üppig ausgestattet, dass Bären über John Lennon nur schmunzeln können: Es ist ein sehr weitläufiges Areal, etwas größer als Bayern, in dem sich wellige Grasberge mit dunklen Wäldern abwechseln.

Dazwischen gibt es alaska-viele Bäche und Flüsse voller Lachse und Forellen sowie finnisch-viele Seen. Natürlich leben hier keine Menschen, dafür aber schmackhafte wilde Tiere wie Hasen, Schafe oder Rehe. Sie haben oft ein kurzes und manchmal ein hartes Leben, aber es ist ja auch der Bärenhimmel. Ganz im Norden leben Robben, dort sind die Gewässer gefroren, es liegt ganzjährig Schnee und man surft auf Eisschollen - so haben es die Eisbären nämlich am liebsten.

Aber wir interessieren uns in dieser Geschichte nicht für die fantastischen Jäger der Arktis und das Dolce Vita in ihrem jenseitigen Eis-Hawaii, sondern für einen Braunbären, der sich weiter südlich in einem See mitten im Wald entspannt.

Wir wollen ihn Bruno nennen, obwohl er gar nicht so heißt. Aber als Bruno ist er bekannt geworden, und sein richtiger Name ist nur unter Bären geläufig. Es ergäbe auch gar keinen Sinn, seinen Bärennamen aufzuschreiben, weil wir ihn gar nicht aussprechen könnten - das heißt: wir müssten ihn vielmehr brummen und brüllen.

Eigentlich mögen es Bären überhaupt nicht, wenn Menschen ihnen Menschennamen geben, und sie beobachten diese Praxis mit Kopfschütteln bei den domestizierten Hunden, die in der Raubtierfamilie der Canoidea, den Hundeartigen, ihre entfernten Verwandten sind. Wie dem auch sei, wir bemühen uns um Diskretion: Denn dass wir Bruno nun beobachten, würde ihm ebenso wenig gefallen.

Er ist ein Bär von 3 Jahren, ein junger Erwachsener. Er ist groß und kräftig gebaut, aber keinesfalls dick. Und er ist eine Berühmtheit im Bärenhimmel. Ja, Bruno ist hier so prominent wie es im Menschenhimmel, wenn es denn einen gäbe, vielleicht James Dean oder Steve McQueen wären, mit dem Unterschied, dass die ihre Abenteuer und Verfolgungsjagden nur in Kinofilmen gespielt haben.

Bruno aber hat sie am eigenen Leib erlebt. Und er genießt seinen schwer verdienten Ruhm in vollen Zügen.

Gerade liegt er in der Bucht eines Sees, in dessen Ufer Whirlpooldüsen eingebaut sind. Links und rechts hat Bruno jeweils eine Jungbärin im Arm, von unten und hinten sprudelt es ihm lustig Luftblasen durch den Pelz.

Alle drei trinken Honeyblaster-Cocktails (Rum und Honig im Verhältnis 1 zu 1, dazu ein Spritzer Angostura) mit Strohhalmen aus Porzellanbechern, die Bienenstöcken nachgebildet sind. Auf einem schwimmenden Tablett steht eine nur noch halbvolle Schüssel mit kleinen Lammfrikadellen. Eine Jungbärin hat eine rosa Schleife auf dem Kopf, die andere eine türkisfarbene. Die Sonne scheint.

Im Wald knackt das Unterholz, und zwei weitere Jungbärinnen treten hervor, mit gelber und hellblauer Schleife im Haupthaar. Langsam, ja, schüchtern wackeln sie an Bruno und seine Freundinnen heran.

"Dürfen wir auch rein?", fragt die Bärin mit der gelben Schleife. Die Whirlpooldüsen blubbern, und Bruno brummt. "Wir haben nämlich gehört, dass du der Problembär bist!", sagt die Bärin mit der hellblauen Schleife. "Könntest du uns vielleicht deine Problembärenabenteuer erzählen?"

Bruno saugt an seinem Honeyblaster und macht dieses sinnlos gurgelnde Geräusch, wenn der Drink fast alle ist. "Aber Mädchen", sagt er, "ihr seht doch, dass ich mich einfach nur entspannen will." "Aber", beharren die beiden Bärinnen am Ufer, "wir würden so schrecklich gerne erfahren, wie du der Problembär geworden bist!"

Sie sind ganz nervös und hibbelig, und jetzt tirilieren auch die beiden in Brunos Armen: "Wie aufregend! Ja, bitte, bitte Bruno: Erzähl' uns nochmal von deinen Abenteuern!"

"Als wenn ich das noch nicht oft genug erzählt hätte... Aber gut, wenn ihr unbedingt wollt", sagt Bruno und reicht seinen Becher an Land: "Also, Mädchen, holt uns ein paar Honeyblaster, kommt rein und nehmt euch 'ne Frikadelle. Und du", sagt er zur Bärin mit der rosa Schleife, "bleib mir gefälligst vom Ohrläppchen. Das kitzelt!"

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: