Eigenwillige Regeln eines Schiedsrichters:Zwillinge auf dem Fußballplatz verboten

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Ein Schiedsrichter in Mainfranken folgt eigenwilligen Regeln und hat einen Spieler vom Platz gebeten, weil dessen eineiiger Zwilling ebenso aufgestellt war. Es war nicht das erste Mal, dass der Überparteiliche in eine derartige Situation geriet - einmal endete dies alles andere als glimpflich.

Philipp Schneider

Lukas und Felix Termathe sind Brüder, seit elf Jahren spielen sie gemeinsam Fußball, sie sind beide Innenverteidiger beim TSV Sackenbach, einer trägt die 12 auf dem Rücken, der andere die 13, doch ihr auffälligstes Merkmal ist, dass sie eineiige Zwillinge sind.

Und weil die 18-Jährigen also schwierig auseinanderzuhalten sind, und obwohl trotz ihres Zwillingsdaseins auf den Fußballplätzen Bayerns all die Jahre alles gut ging, sagt Lukas Termathe seit diesem besonderen Spiel vom vergangenen Montag: "Ich fühle mich vom Schiedsrichter diskriminiert. Und ich fühle mich als Schläger abgestempelt, nur weil ich Zwilling bin." Was war da geschehen?

Die Geschichte trug sich zu während eines A-Klassen-Spiels zwischen Sackenbach und dem SV Bischbrunn, es lief die siebte Minute der zweiten Halbzeit, als Reinhold Bieberich, ein Schiedsrichter mit fast 40 Jahren Erfahrung, das Spiel unterbrach: Weil ihm aufgefallen war, dass nun zwei Zwillinge zeitgleich auf dem Platz standen.

"Auch wenn es falsch ist, lasse ich keine Zwillinge spielen, wenn ich sie nicht klar voneinander unterscheiden kann. Sie liefen gerade zufällig direkt nebeneinander, und da dachte ich: Hoppla!", erinnert sich Bieberich. "Da habe ich ihren Spielführer gefragt, woher denn plötzlich dieser zweite Zwilling kommt. Der meinte: Die sind doch beide nach der Pause eingewechselt worden."

Das war Bieberich entgangen. Er hatte bloß die Einwechselung von Lukas Termathe bemerkt - und diesen sogar gefragt: "Sind Sie Lukas Termathe?" Bruder Felix aber hatte sich sieben Minuten lang quasi getarnt auf dem Platz bewegt, bis der Unparteiische die Geschwister nebeneinander erspähte. Ihm wurde klar, dass einer von beiden schleunigst wieder vom Platz musste: "Ich merkte: Ich muss mir selber helfen und deeskalierend einwirken, weil die beiden sehr aufgebracht auf mich zugelaufen kamen."

Bieberich meint ebenfalls mitgehört zu haben, dass Lukas zu seinem Bruder sagte: "Was will der? Der ist doch nicht ganz klar!" Also zeigte Bieberich erst Lukas die gelbe Karte, dann gab Sackenbacks Trainer Rino Cantarella nach einigen Diskussionen nach und nahm Felix Thermathe aus dem Spiel.

Es war nicht der Zeitpunkt für umfassende Erklärungen. Seine Gründe nannte Bieberich den Klubverantwortlichen erst nach dem Spiel. In einer "entspannten Runde" erzählte er ihnen, dass er nach einem "weniger hitzigen Spiel als diesem" vor drei Jahren einmal von einem Zwilling geschlagen worden war. Dieser wiederum wurde nie bestraft, weil selbst das Sportgericht des Bayerischen Fußball-Verbandes, das sich mit dem Fall befasste, wegen "Nichtzuordnung der Tat" auf eine Bestrafung verzichtete.

Und so etwas wollte Bieberich nicht noch einmal erleben, seine selbst erfundene Regel sei "reiner Selbstschutz", sagt er. "Wir alle dachten uns, der Schiedsrichter macht Scherze", sagt indes Lukas Termathe (der im Spiel verbliebene Zwilling, der fortan mit Gelb vorbestraft war), "dann hat sich in mir eine große Wut aufgestaut."

In der 70. Minute entlud der Zwilling seine Wut in einem Schuss, der Bieberich laut Spielbericht "in Hüfthöhe und 1,50 Meter Entfernung" passierte, woraufhin der Schiedsrichter Gelb-Rot wegen unsportlichen Verhaltens zeigte. Nun waren beide Zwillinge vom Platz. In den Bericht notierte Bieberich: "Dann kehrte er offensichtlich noch einmal um, und schrie einen Meter neben mir stehend in mein rechtes Ohr: Hu!"

Es ist eine traurige Geschichte, die sich zutrug auf dem Fußballplatz im mainfränkischen Sackenbach. Ein Drama um einen traumatisierten Schiedsrichter und zwei diskriminierte Zwillinge - das den Verband beschäftigen wird. Der TSV hat Klage eingereicht. Obwohl er die Partie 3:2 gewann.

© SZ vom 06.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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