Dinkelsbühl:Heimaufsicht hatte keine Zeit

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In einem Dinkelsbühler Alten- und Pflegeheim mussten drei Menschen womöglich qualvoll sterben. Die Kontrolleure reagierten erst Wochen später auf Hinweise.

D. Mittler

Die Heimaufsicht und der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) haben erst nach Wochen auf Hinweise reagiert, dass im Dinkelsbühler Alten- und Pflegeheim Stephanus drei Bewohnerinnen womöglich qualvoll sterben mussten, da ihnen ärztliche Hilfe vorenthalten wurde. "Wir hatten Schwierigkeiten, einen gemeinsamen Prüftermin zu finden", erklärte Ottilie Randzio, die ärztliche Leiterin des MDK in Bayern.

Pflegeexperte Claus Fussek bezeichnet es als typisch, dass Missstände meist von denen aufgedeckt werden, die in der Hierarchie am niedrigsten stehen. (Foto: Foto: AP)

Allerdings lägen die Todesfälle auch schon Jahre zurück. Eine akute Gefahr für Heimbewohner habe in Dinkelsbühl jedenfalls nicht mehr bestanden. "Künftig wollen wir aber bei Beschwerden noch schneller reagieren", sagte sie.

Der MDK prüfte die Einrichtung am 14. Mai, wie Friedrich Walter, Geschäftsführer des Diakonischen Werkes Dinkelsbühl-Wassertrüdingen, bestätigte. Da war auf der Pflegestation schon seit gut einem Monat bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Ansbach wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und der Körperverletzung ermittelt.

"Da wäre es doch eher unrealistisch, dass es da noch zu verbalen oder tätlichen Übergriffen auf die Bewohner kommt", räumte Randzio ein. Hinweise auf Übergriffe hätten die MDK-Prüfer am 14. Mai auch kaum noch finden können: Verräterische Druckstellen wie Blutergüsse sind in der Regel nach zwei Wochen verschwunden.

Für den Pflegeexperten Claus Fussek ist es unbegreiflich, wieso vor den zwei Pflegehelferinnen, die den Skandal öffentlich gemacht haben, niemand früher den Mund aufgemacht hat. Nach Angaben von Diakonie-Geschäftsführer Walter werden die alten Menschen im Dinkelsbühler Heim von gut 20 örtlichen Haus- oder Fachärzten betreut, die regelmäßig ins Haus kämen. Seitens der Ärzte sei es nie zu Beanstandungen gekommen.

Prüfer: "Erhebliche Defizite"

"Das ist ein "leidiges Thema - nicht nur in Dinkelsbühl", sagt die MDK-Ärztin Randzio aus langjähriger Erfahrung. "Um Spuren einer Misshandlung zu entdecken, müsste ich beim Arztbesuch die Patienten vielleicht entkleiden oder zumindest einmal die Decke hochschlagen." Offensichtlich hat aber auch die regionale Heimaufsicht nie gravierende Pflegefehler bemerkt.

"Es ist typisch, dass diejenigen, die in der Heimhierarchie am niedrigsten stehen, den Mut aufbringen, Missstände anzuprangern", sagte Fussek. Mittlerweile liegt der Bericht des MDK dem Diakonischen Werk vor. Es seien "erhebliche Defizite und Verbesserungspotentiale ersichtlich", erklärte der Heimträger am Freitag - auch wenn im Bericht keine direkten Pflegemängel angesprochen worden seien. Insbesondere das Risiko- und Beschwerdemanagement müsse verbessert werden.

© SZ vom 30.05.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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