Die CSU und das Transrapid-Aus:"Teile des Konsortiums wollten schnellstmöglich raus"

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Engelbert Kupka, Transrapid-Beauftragter der CSU, wirft der Industrie vor, beim der Kostenkalkulation für die Magnetschewebebahn nicht mit offenen Karten gespielt zu haben.

Bernd Oswald

sueddeutsche.de: Kam das Aus für den Transrapid für Sie wirklich überraschend? Mit gesundem Menschenverstand musste man doch wissen, dass eine sechs Jahre alte Kostenschätzung nicht mehr haltbar ist.

Engelbert Kupka, Transrapid-Beauftragter der CSU, fragt sich, ob die Industrie insgeheim nicht schon lange mit China über den Verkauf des Transrapid-Patentes verhandelt. (Foto: Foto: oh)

Engelbert Kupka: Wir haben eine Realisierungsvereinbarung über 1,85 Milliarden Euro, die nicht wir geschlossen haben, sondern das Industrie-Konsortium mit der DB AG. Wenn sich innerhalb von sechs Monaten ( Anm. d. Red.: Im September 2007 galt nach einem Transrapid-Gipfel in der bayerischen Staatskanzlei die Finanzierung als gesichert.) diese Preise verdoppeln, muss man sich fragen: Was wird hier eigentlich gespielt?

Ich habe den Eindruck, dass Teile des Konsortiums so schnell wie möglich rauskommen wollten, und deswegen einen indiskutablen Preis genannt haben.

sueddeutsche.de: Die Frage stellt sich genau anders herum: Bahn und Industrie sprachen mit großem Bedauern davon, dass man ein Leuchtturmprojekt aufgegeben hat. Es gibt - sogar in der CSU - Stimmen, die sagen, die Regierung Beckstein wollte den Transrapid nicht mehr, hätte auf ein Ausstiegsszenario gedrungen und wäre froh gewesen über die Kostensteigerung.

Kupka: Man kann natürlich Stories zimmern, dass diese Kostenschätzung von der CSU beantragt worden wäre. Das liegt vollkommen neben der Sache. Wenn die Industrie aussteigen will, sagt sie natürlich nicht: Wir sind froh, dass wir aussteigen können.

sueddeutsche.de: CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer sagte der SZ, dass er sich sehr stark an den Umgang mit der einst geplanten Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf erinnert fühle: "Dem Ministerpräsidenten dürften die neuen Zahlen sehr gelegen gekommen sein. Anders ist die Hals-über-Kopf-Entscheidung nicht erklärbar".

Kupka: Auch in Wackersdorf ist die Industrie von der Fahne gegangen. Vielleicht hat er das so gemeint, aber nicht in der Richtung, dass es dem Ministerpräsidenten sehr gelegen kam. Günther Beckstein hat immer gesagt, er steht zu dem Projekt bis zur 500-Millionen-Beteiligung des Freistaates Bayern.

sueddeutsche.de: Als Technologiestandort hat sich Deutschland nun nicht gerade mit Ruhm bekleckert.

Kupka: Diese Entscheidung bedeutet einen rabenschwarzen Tag für Deutschland, für Bayern und für die Münchner Region. Deutschlands Image, eine technisch führende Nation zu sein, ist schwer angekratzt. Mit dem Transrapid ist ein Fanal gesetzt worden: Jetzt steht Deutschland als Bedenkenträger da. Fakt ist: Ein Zukunftsprojekt konnte in diesem Land nicht durchgesetzt werden. Wer daran schuld ist, ist der Welt relativ egal. Wir werden in Zukunft einkaufen müssen bei den Nationen, die wir vom Technologiekopierer zum Technologieführer gemacht haben.

Lesen Sie auf Seite 2, was Kupka für der Zukunft des deutschen Transrapid-Know-hows befürchtet

sueddeutsche.de: Ist es neben dem Imageverlust für den Technologiestandort nicht auch ein Imageverlust für die CSU, die sich den Transrapid so auf die Fahnen geschrieben hatte?

Kupka: Dass das für uns keine Leistung ist, die uns bei der Bevölkerung positiv in Erscheinung treten lässt, ist doch ganz klar. Aber das Projekt ist nicht unseretwegen gescheitert, sondern an den Kosten. Es ist traurig, wenn man die Geschichte des Transrapid verfolgt, wie wir dieses Projekt systematisch aus Deutschland vertrieben haben.

Neben dem Know-how werden auch Arbeitsplätze verloren gehen. Wenn der Staat investiert, bekommt er über die Steuern doch auch wieder einen erheblichen Teil seiner Investitionen zurück. Es gibt darüber hinaus eine Wertschöpfung. Beim Transrapid wäre das das Zweieinhalbfache der staatlichen Investitionen gewesen. Das schafft Arbeitsplätze vom Brotzeitholer bis zum Bauunternehmer, das ist weg.

sueddeutsche.de: Soll die Industrie Lizenzen vergeben oder die Technologie ganz verkaufen?

Kupka: Mich interessiert jetzt, ob das Konsortium zu dem Zeitpunkt, als sie die Kostenschätzung gemacht haben, noch im Besitz aller Rechte und Patente waren, um den Transrapid ohne Lizenzzahlungen bauen zu können.

sueddeutsche.de: Sie vermuten, dass das Patent schon längst nach China verkauft ist?

Kupka: Soeben kam über den Ticker die Nachricht, dass Thyssen-Krupp bereits mit China über den Verkauf der Antriebstechnik verhandelt. Was gehört also überhaupt noch den Firmen? Es ist nicht vorstellbar, dass der Transrapid bei uns 90 Millionen Euro pro Kilometer kostet. Kupfer und Stahl kosten überall das Gleiche, in China sind nur die Arbeitskosten geringer. Das kann aber nicht so viel ausmachen, dass sich die Kosten verdoppeln oder verdreifachen.

sueddeutsche.de: Freundet sich die CSU jetzt mit der Express-S-Bahn an, mit der die Stadt München den Transrapid an den Flughafen anbindet?

Kupka: Die Express-S-Bahn ist tot. Sie kostet zwei Milliarden Euro, und der Freistaat Bayern müsste eine Milliarde dazu beisteuern. Das kann ich mir nicht vorstellen.

sueddeutsche.de: Müssen wir weiter mit der Bummel-S-Bahn leben?

Kupka: Davon muss man ausgehen. Vordringlich ist jetzt die zweite Stammstrecke. Die kostet Hunderte Millionen. Ohne die brauchen sie überhaupt nichts machen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass in den nächsten 15 Jahren irgendwas Bedeutendes für den Flughafen passiert.

Engelbert Kupka (69) ist Transrapid-Beauftragter der CSU. Außerdem ist er stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CSU im bayerischen Landtag.

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