Depression:Eine bayerische Massenkrankheit

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Jährlich werden 3,4 Millionen Menschen in Bayern wegen psychischer Störung behandelt. Die Selbsttötungen sind jedoch zurückgegangen.

Dietrich Mittler

Psychische Störungen haben im Freistaat deutlich zugenommen. Nach Angaben des Landesamts für Gesundheit gab es im Jahr 2004 in Bayern rund 145000 Krankenhausfälle infolge von psychischen Störungen - das sind zehn Prozent mehr als im Jahr 2000.

(Foto: Foto: dpa)

Die affektiven Störungen, also Stimmungsstörungen, sind in diesem Zeitraum sogar um 34 Prozent gestiegen. Besonders betroffen von der Zunahme waren Männer im jüngeren und mittleren Erwachsenenalter. Nach Berechnungen der Gmünder Ersatzkasse mussten sich im Jahr 2004 rund 3,4 Millionen Menschen in Bayern wegen einer psychischen Störung in ambulante Behandlung begeben.

Auch bei Kindern und Jugendlichen sei ein Ansteigen der psychischen Belastung festzustellen. Jedes fünfte Kind in Bayern ist psychisch auffällig, hat die Techniker Krankenkasse (TK) festgestellt.

,,5000 junge Menschen unter 15 Jahren müssen im Freistaat jährlich wegen psychischer Probleme und Verhaltensstörungen stationär behandelt werden'', sagt Kathrin Heydebreck, Sprecherin der TK-Landesvertretung Bayern. Auslöser seien häufig Belastungen und Stress im Schul- und Familienalltag der Heranwachsenden.

,,Studien zeigen, dass jeder dritte Erwachsene im Verlauf eines Jahres an mindestens einer psychischen Erkrankung leidet'', sagt Gesundheits-Staatssekretär Otmar Bernhard (CSU). Die Krankschreibungen seien ,,entgegen dem Trend insgesamt sinkender Arbeitsunfähigkeit'' gestiegen.

,,Bessere Diagnosemöglichkeiten, aber auch die vermehrte Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe erklären die steigenden Zahlen nur zum Teil'', sagt Bernhard. Es gebe eine reale Zunahme, bedingt durch Stress und Überforderung. Zudem bringe die zunehmende Lebenserwartung mehr ,,alterstypische'' psychische Erkrankungen wie Demenzen oder Depressionen mit sich.

Bei Menschen mittleren Alters spielen oft auch psychische Belastungen am Arbeitsplatz - wie starker Termin- und Leistungsdruck, geringe Handlungsspielräume oder die Arbeitsplatzunsicherheit - eine entscheidende Rolle.

Wie die AOK Bayern im vergangenen Jahr feststellte, war bei 125.124 Krankschreibungen ,,eine psychische Störung als Haupt- oder Nebendiagnose angegeben'' - auffallend hoch war der Frauenanteil von 54 Prozent. Bei den Männern spielten alkoholbedingte Fälle eine bedeutende Rolle.

Mit zunehmendem Alter steigen nach Erkenntnissen des Landesamtes für Gesundheit sowohl die Arbeitsunfähigkeitsfälle als auch die Arbeitsunfähigkeitstage infolge psychischer Störungen deutlich. ,,Auch die durchschnittliche Falldauer nimmt mit dem Alter zu'', heißt es im Gesundheitsmonitor Bayern, den das Landesamt herausgibt. ,,Was die Arbeitswelt angeht, muss in den Betrieben mehr auf Prävention und Früherkennung gesetzt werden'', fordert Staatssekretär Bernhard.

Dass die Zahl der Selbsttötungen trotz der wachsenden Zahl an psychischen Erkrankungen seit 2000 um circa zwölf Prozent zurückgegangen ist, führt Armin Schmidtke, Professor an der Universität Würzburg und Vorsitzender der Initiativgruppe ,,Nationales Suizid-Präventionsprogramm'', vor allem auf die verbesserte Aufklärung und Prävention bei Depressionen zurück. Zudem sei die Schulung der Ärzte und Therapeuten so weit fortgeschritten, dass sie psychische Erkrankungen früher erkennen.

,,Da ist eine Menge getan worden'', sagt Schmidtke. 2001 wurde als bundesweit einzigartiges Modellprojekt das ,,Nürnberger Bündnis gegen Depression'' gestartet. Im Großraum Nürnberg konnte dadurch laut Schmidtke die Suizidrate um mehr als 20 Prozent gesenkt werden.

Dennoch ist die Zahl der Selbsttötungen immer noch hoch: 2005 nahmen sich in Bayern 1724 Menschen das Leben. ,,Das sind doppelt so viele Menschen, wie im gleichen Jahr im Straßenverkehr starben'', sagt Gesundheits-Staatssekretär Bernhard.

Bei den vollzogenen Selbsttötungen waren die Männer deutlich in der Mehrzahl. Vor allem im Alter nimmt die Zahl der Selbsttötungen zu. Bei alten Männern ist die Suizidrate sogar um bis zu dreimal höher als im mittleren oder jungen Erwachsenenalter. Bei gescheiterten Suizidversuchen gehen die Fachleute indes davon aus, dass die Frauen in der Mehrzahl sind.

© SZ vom 8.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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