Debatte um türkische Schulen in Deutschland:"Das ist absoluter Blödsinn"

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Um die Forderung nach türkischen Schulen in Deutschland ist eine hitzige Debatte entbrannt. Hüseyin Yalcin, stellvertretender Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte in Bayern, ist strikt gegen türkische Schulen.

Christine Burtscheidt

Hüseyin Yalcin ist stellvertretender Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte in Bayern. 1971 kam er mit fünf Jahren aus der Türkei nach Deutschland und machte in Augsburg später den Hauptschulabschluss.

Schüler in dem deutsch-türkischen Gymnasium in Hannover: In Schule gehen Kinder, deren Eltern aus der Türkei kommen. (Foto: Foto: dpa)

SZ: Was halten Sie von Erdogans Vorschlag, türkische Schulen in Deutschland einzurichten?

Yalcin: Das ist absoluter Blödsinn! Solche elitären Schulen brauchen wir nicht. Wir haben ein Problem mit der dritten Generation, die weder die deutsche noch die türkische Sprache spricht. Notwendig sind türkischsprachige Angebote als Teil des regulären Unterrichts; also etwa als zweite Fremdsprache wie Englisch, Italienisch oder Französisch.

Die Mehrsprachigkeit der Kinder muss gefördert werden, das ist wichtig. Dass aber Schüler in eine Schule gehen, in der die Hauptsprache Türkisch und Deutsch die Fremdsprache ist, kann nicht der Integration dienlich sein. Das führt erst recht in die Parallelgesellschaft.

SZ: Welche Maßnahmen schlagen Sie vor, um die Bildungschancen von türkischen Kindern zu verbessern?

Yalcin: Wichtig ist die frühkindliche Sprachförderung und dass auch die Eltern Deutsch lernen. Das Problem ist doch, dass schon die zweite Generation meistens weder die deutsche noch die türkische Sprache beherrscht.

Eine Ursache davon liegt in den muttersprachlichen Klassen, die es noch bis vor wenigen Jahren für türkische Schüler an deutschen Schulen gab. Der Unterricht war miserabel, und die Lehrer waren schlecht. Ich bin auch ein Produkt davon und habe mich später an der Realschule dann wirklich schwer getan.

SZ: Den Realschulabschluss schaffen türkische Schüler gelegentlich noch. Schlecht schaut es beim Abitur aus.

Yalcin: Das ist skandalös. Das hat natürlich auch mit einem Bildungssystem zu tun, das viel zu früh Kinder auf die verschiedenen Schularten aufteilt. Das ist besonders fatal für Migrantenkinder. In der Zeit kann das nicht nachgeholt werden, was zu Hause versäumt wurde.

Wer sprachliche Defizite hat, dem ist die Zukunft in so einem System doch total verbaut. Die Kinder landen dann in der Hauptschule und sind total frustriert, weil um sie sich herum nur noch Versager haben. Jugendliche, die keinen Abschluss machen und keine Lehrstelle finden, geben sich dann schnell auf.

SZ: Was ist also zu tun?

Yalcin: Auf jeden Fall brauchen wir eine ausreichende Sprachförderung schon vor dem Kindergarten. Es gibt ja bereits erfolgreiche Projekte. Zum Beispiel bekommen Familien Sprachtrainer zur Seite gestellt und können später anderen türkischen Eltern helfen. Auch muss es eine längere gemeinsame Schulzeit geben. Deutsch lernen die türkischen Jugendlichen am besten von Deutschen.

Allerdings sollte man dann in einer Klasse die Zahl der Migrantenkinder begrenzen. Mehr als 30 Prozent führen dazu, dass die Sprachkompetenzen aller Kinder sinken. Und wir brauchen positive Beispiele, Türken, die etwas erreicht haben, damit unsere Kinder wieder einen Sinn darin sehen, zur Schule zu gehen.

© SZ vom 12.02.2008/gdo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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