CSU zu Seehofer:"Seine Menschenführung ist nicht optimal"

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Kritik aus den eigenen Reihen: Die Arbeitsweise des Parteivorsitzenden Horst Seehofer stößt in der CSU inzwischen auf offene Kritik.

Die CSU kommt nicht zur Ruhe. Das Debakel bei der Landtagswahl, das Gezerre um die Europa-Kandidatur von Monika Hohlmeier und nun die Causa Glos. Es rumort in der Partei. Viele bedauern den Rückzug des Wirtschaftsministers, der mit seiner bodenständigen Art die CSU gut verkörperte. Obwohl die meisten in der Partei den Nachfolger Karl-Theodor zu Guttenberg für kompetent halten, wird zunehmend Kritik am Führungsstil von Horst Seehofer laut.

(Foto: Foto: dpa)

Günther Beckstein, früherer Ministerpräsident aus Nürnberg:

"Ich bedauere den Rücktritt von Michel Glos sehr. Er war ein verlässlicher Partner, manchmal ironisch, manchmal sarkastisch. Ein solider Mittelständler, kein großer Überflieger - aber von denen hatten wir ja in den vergangenen Jahren genug, wenn ich an die Bankenkrise denke. Glos hat das gut gemacht. Er war als Müllermeister auch für unser CSU-Profil wichtig. Er hätte mehr Unterstützung von allen Beteiligten verdient."

Eberhard Sinner, Unterfranke und ehemaliger Staatskanzleichef:

"Michel Glos war eine sichere Bank für uns. Wenn wir das früher gewusst hätten, wir hätten ihn überredet weiterzumachen. Glos ist Profi, das war sicher keine Affekthandlung. Aber er war persönlich getroffen davon, wie mit ihm umgegangen wurde, wie der Unternehmer Thomas Bauer gegen ihn ins Spiel gebracht wurde. Horst Seehofer hat die Angewohnheit, seine Leute klein zu machen. Er ist nicht optimal in der Menschenführung."

Thomas Goppel, von Seehofer aus Altersgründen geschasster Wissenschaftsminister:

"Ich verstehe die Reaktion von Michel Glos, nachdem er als amtierender Minister über die Zeitung von der Suche eines Nachfolgers erfährt. Er hat daraufhin ja nur gesagt, dass eine Verlängerung nicht in Frage kommt, hat nicht von einem sofortigen Rückzug gesprochen. Die Aufregung ist deshalb nicht verständlich. Auch die Reaktion Seehofers war nicht souverän. Er ist völlig überrascht worden am Samstag. Aber dass nicht alles zu 100 Prozent läuft, wenn man - wie Seehofer - Parteichef und Ministerpräsident in einer Person ist, das ist klar.

Der Michel Glos ist einer, der ganz genau weiß, wann man in einer Mannschaft eine Aufgabe wahrnehmen kann und wann es nicht mehr geht. Der wollte ja nie Wirtschaftsminister werden. Aber gerade, wenn jemand aus Parteiräson veranlasst wird, eine ungeliebte Aufgabe wahrzunehmen, braucht er die Nähe und Unterstützung der anderen."

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was der ehemalige Wirtschaftsstaatssekretär Hans Spitzner dachte, als er von Glos' Rückzug erfahren hat.

Hans Spitzner, Wirtschaftsstaatssekretär a.D aus der Oberpfalz:

"Als ich von Glos' Rückzug erfahren habe, dachte ich: Das ist ein echter Michel! Sowas kann niemand anders bringen. Das Timing ist quasi fränkisch-altbayrisch gewesen. Der hat genau gewusst, dass Angela Merkel und Horst Seehofer am Wochenende was anderes zu tun haben. Es ist sehr bedauerlich, dass Glos geht, denn er ist einer der wenigen "Typen" in der CSU. Er ist einer, der sich nicht verbiegen lässt. Allerdings ist Guttenberg eine exzellente Nachfolge.

Ich habe als Wirtschaftsstaatssekretär mit ihm zusammengearbeitet und kenne seinen gesunden Sachverstand und sein unwahrscheinliches Engagement. Zudem ist Guttenberg stark vernetzt, gerade im osteuropäischen Raum. Und weil auch Dobrindt als neuer Generalsekretär ein guter Mann ist, bin ich derzeit direkt beruhigt, was die Zukunft der CSU anbelangt."

Harald Schwartz, stellvertretender CSU-Kreisvorsitzender Amberg-Sulzbach:

"Die Rücktrittsentscheidung von Michael Glos wurde in unserem Kreisverband keineswegs negativ aufgenommen. Wir haben in der Partei doch eher das Problem, dass viele zu lange an ihrem Amt kleben. Wenn der Parteivorsitzende eine Rücktrittserklärung sofort akzeptiert, heißt es, er lasse den Kollegen zu schnell ziehen. Andernfalls wird ihm Zögerlichkeit vorgeworfen. Horst Seehofer hat sich da richtig verhalten."

Albert Füracker, CSU-Kreisvorsitzender Neumarkt in der Oberpfalz:

"Wenn der Parteivorsitzende sagt, er habe vom Rücktritt eines Ministers aus der Presse erfahren, dann ist das nicht gerade optimal gelaufen. Ebenso, wenn ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl ein Minister ausgewechselt werden muss. Das verunsichert die Basis. Aber an dieser Erbsenzählerei will ich mich nicht beteiligen. Es ist wichtig, dass Horst Seehofer mit einem guten Nachfolger ein klares Signal für die Zukunft gesetzt hat."

Lesen Sie auf der letzten Seite, was die FDP-Landesvorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger über Seehofer denkt

Rudi Engelhard, CSU-Altlandrat von Pfaffenhofen an der Ilm:

"Ich habe Verständnis für Michael Glos' menschliche Reaktion, aber bei aller Verärgerung hätte er vorher mit Horst Seehofer reden sollen. Nach außen verkörpert der Ministerpräsident sicherlich einen neuen Stil, aber er wird immer einsame Entscheidungen treffen. Das sollte er sich abgewöhnen, aber das wird er nicht schaffen. Vorübergehend mag das gut gehen, aber auf Dauer nicht.

Er ist halt schon sehr autoritär, das hat er von Franz Josef Strauß geerbt. Andererseits ist es manchmal ganz gut, wenn einer hergeht und sagt, so wird es gemacht. Aber vorher sollte er sich mit seinen Freunden intensiver beraten."

Alfred Lehmann, CSU-Oberbürgermeister von Ingolstadt:

"Zunächst ist es gut, dass in einer schwierigen Situation ganz schnell ein exzellenter Nachfolger für Herrn Glos gefunden wurde. Ich persönlich hätte aber auch sehr viel von Thomas Bauer gehalten - das wäre ein erfolgreicher und international tätiger Unternehmer gewesen. Ansonsten heißt es ja immer, man solle nicht immer nur Berufspolitiker heranlassen."

Franz Meyer, Landrat des Landkreises Passau und Ex-Finanzstaatssekretär:

"Ich habe große Achtung vor Michael Glos. Dass er sein Amt zur Verfügung stellt und einem Jüngeren Platz macht, muss man ihm hoch anrechnen. Guttenberg ist als Nachfolger auf jeden Fall eine gute Wahl. Natürlich ist am Wochenende nicht alles reibungslos gelaufen, aber Horst Seehofer hat schnell gehandelt und Führungsstärke gezeigt. Schließlich können Sie in so einer Lage ja nicht erst eine lange Umfrage machen."

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, FDP-Landesvorsitzende und Seehofers Koalitionspartnerin:

"Er war in der großen Koalition auf verlorenem Posten und wird keine Spuren hinterlassen. Verfassungsrechtlich ist das Procedere absolut unwürdig. Gleichgültig welche parteitaktischen Gründe bei der Entscheidung eine Rolle gespielt haben, mit einem Ministeramt kann man so nicht umgehen. Glos hätte seinen Rücktritt zuerst der Bundeskanzlerin mitteilen müssen. Anschließend hätte man in der Koalition über einen Nachfolger diskutieren können. Guttenberg kennt sich gut in der Außenpolitik aus, aber seine Wahl zeigt auch, dass es im Gegensatz zur FDP in der CSU nicht mehr viele Leute gibt, die über wirtschafts- und steuerpolitischen Sachverstand verfügen. Die CSU ist im Wahljahr in einer höchst schwierigen Situation."

© SZ vom 10.02.2009/hm, burt, stma, olkl, rabe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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