CSU in Wildbad Kreuth:Ein Chef, geachtet und gefürchtet

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Die CSU ist stolz auf Horst Seehofer - und unsicher, weil er so unabhängig agiert. Der Ministerpräsident spricht zwar viel, aber bleibt für die Partei ein Buch mit sieben Siegeln.

Bundestagsabgeordnete, noch dazu die aus Bayern, sind flexible Leute. Das kann man bei der CSU sehr gut studieren. Als sich die Landesgruppe vor einem Jahr in Kreuth traf, schwärmten sie alle von der neuen Freiheit: Endlich werde in der CSU offen diskutiert, endlich sei Schluss mit der Befehlsausgabe durch die Staatskanzlei. Es war die Zeit der Doppelführung unter Huber und Beckstein, es wehte ein wärmerer Wind als früher, und die Laune war prächtig.

Ministerpräsident Horst Seehofer ist der neue starke Mann der CSU - und bleibt der Partei doch ein Buch mit sieben Siegeln. (Foto: Foto: Getty)

Ein Jahr später schwärmen sie wieder. Aber die Lage ist anders. Nach der kurzen Phase größerer Bescheidenheit herrscht wieder Ordnung an der Parteispitze. Horst Seehofer ist der neue Herrscher über alles. Mehr Demokratie wagen - das hat sich aus Sicht der meisten als zu großes Wagnis erwiesen.

Dass man bei der Landtagswahl auch wegen der Arroganz eines zu mächtig gewordenen Edmund Stoibers ein Debakel erlebte, dass dies nur möglich war, weil sich alle viel zu lange hinter einer Führungsfigur versteckten - es wurde erkannt und schnell vergessen. Hauptsache, das Geschäft macht wieder einer für alle. Diskutieren lässt sich irgendwie ja trotzdem.

Dass der CSU das Leben zur Zeit Spaß macht, "ist doch klar", sagen alle in Kreuth. Es ist für sie schön, wie sich ihr Parteichef in der Hauptstadt durchsetzt: Erst die Erbschaftsteuer, nun die Steuersenkungen - von Seehofers Chuzpe können sie gar nicht genug bekommen nach dem schwarzen September. Dass dies nicht nur Seehofers Größe geschuldet ist, sondern vor allem einer geänderten Ausgangslage für Angela Merkel im Wahljahr, interessiert in Kreuth nicht wirklich. Seehofer tritt mit Donnerhall auf - das zählt.

Erst allmählich dringt durch, dass zu Seehofer nicht nur strahlende Erfolge, sondern auch Schattenseiten gehören könnten. Wer genau hinsah, konnte in Kreuth ein ganz anderes Gesicht Seehofers studieren. Die Ausrufung Peter Ramsauers zum Spitzenkandidaten wurde als Absprache und Strategie verkauft, das lange Zögern des CSU-Chefs war aber eine Demütigung Ramsauers. Wieder haben es alle hingenommen - das war für Seehofer durchaus auch eine Botschaft.

Seehofer ist der Auffassung, dass Politiker, die nichts riskieren, auch nichts verdienen. Dahinter steckt nicht zuletzt seine eigene Geschichte. Er hat sich viele Schrammen geholt und nach eigener Einschätzung Schlimmstes ertragen müssen. Das gibt ihm eine Freiheit, wie sie nur wenige genießen. Er weiß, dass die Wahlen in diesem Jahr ihm zugerechnet werden. Aber er weiß auch, dass er für knapp fünf Jahre gewählt ist. Kein Wunder, dass er in Kreuth immer wieder von einem langsamen Weg aufwärts gesprochen hat.

Was in Kreuth in die Gesamtpartei eindringt, ist die Erkenntnis, dass nach wie vor niemand weiß, wann, wie und mit wem Seehofer seine Beschlüsse fasst. Seehofer spricht zwar viel, aber er bleibt für die Partei ein Buch mit sieben Siegeln. Das verunsichert selbst die jungen Mitstreiter, die Seehofer um sich herum schart. "Er hat kein Küchenkabinett, er hat nicht mal eine Frau Baumann", sagt einer von Seehofers Ministern und spielt damit an auf Angela Merkels Büroleiterin Beate Baumann. Sie gilt seit langem als engste Beraterin der Kanzlerin.

Am zweiten Abend von Kreuth erklärte einer aus der Führung der Landesgruppe, es sei großartig, mit wie viel Respekt die anderen Parteien Seehofer und der CSU wieder begegneten. Er fügte an, dass zu diesem Respekt auch das Gefühl gehöre, dass man nicht wisse, was da vielleicht als nächstes von demjenigen komme. Suspekt - das ist Seehofer nicht nur allen anderen Parteien. Er ist es nach wie vor auch seinen eigenen Leuten.

© SZ vom 10.01.2009/gba - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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