Chaos bei der Post:Bangen um die Weihnachtspost

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Weil Zusteller fehlen, kommt die Post in München, Rosenheim und Nürnberg zunehmend mit Verpätung an.

Manfred Hummel

Die Post kann in einigen Teilen Bayerns die Flut der Sendungen vor Weihnachten nicht mehr bewältigen. Betroffen sind die Landkreise um München, der Zustellbezirk Rosenheim und der Großraum Nürnberg.

Die Arbeitsbedingungen für Postzusteller sind hart - vor allem in der Weihnachtszeit. (Foto: Foto: ddp)

Tausende Briefe, Päckchen und Pakete bleiben zurzeit liegen und kommen erst mit einigen Tagen Verspätung bei den Adressaten an. Unterdessen trifft ständig neue Post ein, sodass die Zusteller mit dem Austragen in den kritischen Bezirken nicht mehr nachkommen und oft bis in die Dunkelheit hinein unterwegs sind. "Die Situation ist äußerst angespannt", sagt Andreas Faltermaier, Niederlassungsleiter von Verdi in Freising, "die Mengen sind derzeit sehr hoch, vor allem die Zahl der Pakete hat stark zugenommen."

Hauptursache für die angespannte Lage sehen Betriebsräte und Gewerkschafter in der dünnen Personaldecke im Zustellbereich. "Es sind zu wenige Leute da", sagt Anton Hirtreiter, Leiter des Fachbereichs Postdienste bei Verdi Bayern, und fordert: "Der Überbelastung muss sofort Einhalt geboten werden, es brennt."

Bereits im Oktober hat die Flut der Sendungen zugenommen, besonders die Werbung. Die Verbraucher bestellen dann über Internet, wodurch wiederum die Menge der Päckchen steigt. Normalerweise befördert die Post bundesweit 70 Millionen Briefe und 2,5 Millionen Pakete pro Tag - für Bayern liegen keine gesonderten Zahlen vor; doch vor Weihnachten verdoppelt sich die Zahl der Briefsendungen nach Angaben der Post auf täglich 140 Millionen, die der Pakete steigt auf bis zu 7,5 Millionen.

Für Klaus Barthel, den SPD-Bundestagsabgeordneten aus dem Wahlkreis Starnberg und Post-Experten seiner Fraktion, kommen die Probleme nicht aus heiterem Himmel. Seit Jahren baue die Deutsche Post AG Arbeitsplätze ab, verlängere die Arbeitszeiten und vergrößere die Zustellbereiche. "Die sind jetzt an eine Schallmauer gestoßen", sagt Barthel, "sie finden nicht mehr so ohne weiteres Aushilfen."

Hohe Belastung

Bei einer Versammlung der Betriebsgruppe Brief der Niederlassung Starnberg/Rosenheim vor ein paar Tagen klagten mehrere Mitarbeiter über die hohe Belastung und die langen Arbeitszeiten. "Eine Kollegin erklärte, sie habe in den letzten sechs Wochen an jedem Tag die zehn Stunden 45 Minuten voll ausgeschöpft oder überschritten, in der Regel habe sie die letzten Briefe erst nach Einbruch der Dunkelheit zugestellt", berichtet ein Verdi-Sekretär. Eine Übersicht von fünf Zustellstützpunkten in Bayern mit 100 Zustellern belegt, dass die Schichten länger geworden sind.

Die Post führt die aktuellen Engpässe auf Ausfälle durch Krankheit oder unkoordinierte Urlaubsplanung zurück. So habe man in Rosenheim zu vielen Zustellern gleichzeitig Urlaub gegeben. In Dinkelsbühl seien acht von 13 Zusteller dauerhaft erkrankt. Man habe zwar Aushilfskräfte eingesetzt, "aber ein bis zwei Mal mussten wir Bezirke liegen lassen", sagt ein Sprecher. Die Folge: Hunderte Haushalte bekamen keine Post. "Die Sparmaßnahmen des Konzerns", betont der Sprecher, "haben jedoch keine Auswirkung auf die Zustellung."

Dieser Darstellung widerspricht Verdi-Funktionär Hirtreiter. In Dinkelsbühl habe es keine Grippewelle gegeben, es sei schlicht zu wenig Personal da. Der Konzernvorstand habe den Ernst der Lage noch nicht erkannt. Gerade seien Verhandlungen über eine Betriebsvereinbarung für alle Niederlassungen in Bayern gescheitert. Jetzt folge der "Häuserkampf" um jede Niederlassung. Immerhin habe die Gewerkschaft erreicht, dass die Auszubildenden der vergangenen drei Jahre, mehrere hundert gut ausgebildete Postler, in ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis mit 38,5 Stunden pro Woche übernommen werden.

Aber das reicht offenbar nicht aus, um das Weihnachtsgeschäft zu meistern. Etwa 1000 Kräfte wollte der Konzern deshalb zusätzlich einstellen. Ob tatsächlich so viele Mitarbeiter gefunden wurden, vermag der Post-Sprecher nicht zu sagen. Die Mitarbeiter werden befristet eingestellt, meist für drei Monate, zum Anfängerlohn von 10,44 Euro die Stunde.

Dafür müssen sie auf dem Land Wind und Wetter trotzen, in der Stadt vier Stockwerke und mehr erklimmen. Und ihre Fahrräder sind bis oben bepackt. Den Umgang mit sensiblen Sendungen wie Einschreiben oder Gerichtsurkunden lernen die Aushilfen in Schnellkursen. Die Anstellung für nur ein Quartal lässt aber die Mitarbeiter in ständiger Unsicherheit, wie es danach weitergeht. Sobald sie eine längerfristige Tätigkeit in Aussicht haben, wechseln sie den Arbeitgeber. "Wir wollten länger befristete Verträge erreichen", sagt Hirtreiter, "fanden aber kein Gehör."

Im nächsten Jahr dürfte sich die Lage verschlimmern. Der Konzernvorstand hat in vertraulichen Schreiben angekündigt, dass eine Milliarde Euro eingespart werden müsse. Es gilt ein genereller Einstellungsstopp, befristete Verträge werden nicht mehr verlängert. Da schließt die Post selbst Auswirkungen auf die Zustellung nicht mehr aus. "Es wird im nächsten Jahr sicher noch schwieriger werden", bestätigt ein altgedienter Briefträger auf dem Land, der aber seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. In einem Rund-Fax untersagte die Post ihren Zustellern, mit den Medien zu reden.

"Wie kann ich mich als Verbraucher dagegen wehren?", hat sich Christoph Ann aus dem oberbayerischen Tutzing gefragt, als er vor kurzem zum wiederholten Mal keine Briefe bekam. Der Lehrstuhlinhaber für Wirtschaftsrecht und geistiges Eigentum an der Technischen Universität München stieß auf die PUDLV, die Post-Universaldienstleistungsverordnung. Sie verpflichtet die Post, mindestens einmal täglich Sendungen zuzustellen. Auch der Samstag gilt als Werktag, bestätigt die Post selbst. Deshalb seien Befürchtungen der Landtags-FDP, dass die Post die Samstagszustellung streichen will, "keine spruchreifen Pläne".

© SZ vom 08.12.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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