Bundesverfassungsgericht:Rüffel für bayerische Justiz

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Das Karlsruher Gericht kritisiert schleppende Ermittlungen im Freistaat - und ordnet die Freilassung eines Untersuchungshäftlings an.

Das Bundesverfassungsgericht hat bayerische Justizbehörden wegen schleppender Ermittlungen. In einem Beschluss ordneten die Karlsruher Richter die Entlassung eines wegen versuchten Mordes und schwerer Brandstiftung angeklagten und seit elf Monaten im Gefängnis sitzenden Häftlings aus Fürth an.

Bayerische Justizbehörden erhielten einen Rüffel aus Karlsruhe. (Foto: Foto: ap)

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth habe trotz evidenter Zweifel an seiner Schuldfähigkeit acht Monate mit einem entsprechenden Gutachtenauftrag gewartet. Dies verstoße gegen das Beschleunigungsgebot im Strafverfahren und verletze das Freiheitsrecht des Betroffenen (Az: 2 BvR 971/07 - Beschluss vom 6. Juni 2007).

Der in Mosambik geborene Beschuldigte hatte - um einen angeblich gegen ihn verhängten Voodoo-Zauber zu brechen - vor der Haustür einer ihm bekannten Familie in Fürth Benzin angezündet.

Damit stand aus Sicht der Verfassungsrichter die Notwendigkeit einer psychiatrischen Begutachtung von Anfang an außer Frage. Die schleppende Bearbeitung habe zu einer Verzögerung von fünf Monaten geführt, die ausschließlich in der Verantwortung der bayerischen Justizbehörden liege.

Eine Kammer des Zweiten Senats beanstandete damit die vom Oberlandesgericht Nürnberg angeordnete Fortdauer der Untersuchungshaft und ordnete eine umgehende Aufhebung des Haftbefehls an.

Damit setzt das Bundesverfassungsgericht seine sehr strikte Rechtsprechung zum Thema Untersuchungshaft fort. In den vergangenen zwei Jahren hat das Gericht - zuständig ist Verfassungsrichter Siegfried Broß - in einer ganzen Reihe von Entscheidungen die Justiz immer wieder gerügt, weil Ermittlungen gegen Untersuchungshäftlinge zu schleppend bearbeitet wurden.

Wegen des Freiheitsanspruchs der noch nicht verurteilten Beschuldigten müssen die Staatsanwaltschaften von Anfang an zügig ermitteln und können sich nicht auf Personalengpässe berufen.

Im bayerischen Justizministerium akzeptiert man die Entscheidung der Karlsruher Richter - auch wenn man dort der Meinung ist, das Verfahren nicht verfassungswidrig verzögert zu haben.

Dennoch räumt ein Sprecher gegenüber sueddeutsche.de ein: "Es hätte sicherlich optimaler laufen können." Derzeit prüft das Ministerium noch die genaue Begründung des Karlsruher Gerichtes.

Aus bayerischer Sicht hat die Erstellung des Gutachtens etwas länger gedauert, weil zunächst ein wichtiger Zeuge gehört werden musste. Nur über die Aussage dieses Zeugen, heißt es aus dem Ministerium, sei es dem Gutachter möglich gewesen, sich Zugang zur Gedankenwelt des Beschuldigten zu verschaffen.

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