Brüssel und die Bauern:Wenn nichts mehr in Butter ist

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Wie ein bayerischer Milchbauer angesichts der Vorgaben aus Brüssel trotz aller Anstrengungen kaum über die Runden kommt.

Christian Sebald

Das ist der Wahnsinn, sie kapieren's nicht", sagt Bernhard Heger frustriert, "da ist so viel Milch auf dem Markt, die Preise sind unten, sie fallen immer weiter, und dann pumpt die EU jetzt noch mehr Milch auf den Markt. Aber dann wundern sich alle, wenn es uns Familienbetrieben massenweise das Genick bricht."

Die Lage der Milchbauern ist plötzlich schlimmer als vor zwei Jahren. (Foto: Foto: Getty Images)

Bernhard Heger, 41, ist Milchbauer in Peißenberg, dort wo Oberbayern am idyllischsten ist. Doch es liegen Schatten auf dem Hof. Die Landwirte hier im Alpenvorland sind alle Milchbauern, und alle treibt die blanke Existenzangst um - vor allem die jüngeren, die ihren Beruf lieben und alles dafür getan haben, dass sie Bauern bleiben können.

Bernhard Heger ist das beste Beispiel dafür. Als ihm die Berater im Landwirtschaftsamt gesagt haben, er muss wachsen, damit er eine Zukunftschance hat, da hat er seine Kuhherde auf 45 Stück verdoppelt und einen teuren Anbau an seinen Stall hingestellt.

Als ihm die Berater ein "zweites Standbein" empfohlen haben, da hat er fünf Ferienwohnungen gebaut - Peißenberg ist bei Urlaubern aus dem Norden sehr beliebt. Und als ihm die Berater gesagt haben, mit der Direktvermarktung seines Fleisches, seiner Wurst und anderer Produkte ließen sich die immer geringeren Erlöse aus der Milch zumindest zum Teil ausgleichen, da haben Heger und seine Frau Ute einen kleinen Hofladen eröffnet.

Die Basis von Hegers Bauernhof ist und bleibt aber die Milchwirtschaft. Die rentiert sich jedoch immer weniger, und zwar obwohl Bernhard Heger mit seinen 45 Milchkühen für bayerische Verhältnisse ein großer Milchbauer ist.

46.000 Milchbauern gibt es in Bayern, im Durchschnitt halten sie gerade mal 25 Kühe. Gegen die nord- und die ostdeutschen Bauern mit ihren Herden von 100 Stück an aufwärts ist Heger freilich ein kleines Licht. Nur einmal hat der Peißenberger richtig gutes Geld verdient. Vor einem Jahr, als Milch plötzlich weltweit knapp war, zahlte ihm seine Molkerei knapp 43 Cent für den Liter.

Seit Frühjahr aber ist der Preis wieder im freien Fall. Im Oktober erhielt Heger nur mehr 35 Cent, die Novemberabrechnung hat er noch nicht und für das neue Jahr "hat mir die Molkerei angekündigt, dass es nur noch 29 oder gar 28 Cent sein werden", sagt der Familienvater von drei halbwüchsigen Kindern.

Für die Hegers hat sich binnen Wochen der Erlös aus dem Milchgeschäft halbiert, aufs Jahr gesehen rechnet der 41-Jährige mit einem Minus von 35.000 Euro. Seine Lage ist plötzlich schlimmer als vor zwei Jahren.

Damals war der Milchpreis schon einmal auf 28 Cent gefallen, doch seitdem sind die Preise gleich, die für Futtermittel oder Kraftstoff, für Dünger oder Maschinen allerdings sind kräftig gestiegen. Die Familie Heger kommt denn auch nur über die Runden, weil alle mithelfen - vom 81-jährigen Opa bis zu den Kindern. Denn Geld für Investitionen - für einen Melkroboter zum Beispiel, der der Familie die Arbeit erleichtern würde - hat Heger nicht. "So schlimm das klingt", sagt er, "für uns ist derzeit nur der Euro gut, den ich nicht ausgebe. Denn den muss ich nicht einnehmen."

Heger könnte nicht einmal die Landwirtschaft an den Nagel hängen und sich einen anderen Job suchen. "Denn wie soll ich dann den Stallanbau abfinanzieren?" Also werden Bernhard Heger und seine Familie weitermachen, so lange es irgendwie geht.

© SZ vom 21.11.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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