Bayerisches Filmprojekt:Kleine Lügen, große Gefühle

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Mit dem charmanten Film "Wer früher stirbt, ist länger tot" löste Regisseur Marcus H. Rosenmüller einen Heimatfilm-Boom aus. Sein neues Projekt: Der Kinderfilm "Die Perlmutterfarbe".

Josef Grübl

Merkwürdige Dinge gehen dieser Tage vor im Kloster Raitenhaslach: In der Kapelle knallen Türen, über die Gänge flitzen Buben mit kurzen Hosen und noch kürzeren Haaren, irgendwo brüllt jemand etwas von einer "Lüge", und im Keller wird eine Folterbank aufgebaut.

Der Regisseur Marcus H. Rosenmüller bei der Verleihung des Bayerischen Filmpreises 2007 (Foto: Foto: dpa)

Das Konvent vor den Toren Burghausens kann auf eine wechselvolle Vergangenheit zurückschauen - doch was hier vonstatten geht, hat es in den vergangenen 800 Jahren nicht gegeben. Ein Grund zur Beunruhigung? Aber nein, es ist nur ein Filmteam eingezogen, das im ehrwürdigen Zisterzienserkloster, dem ältesten Oberbayerns, einen Kinofilm dreht.

"Die Perlmutterfarbe" heißt er, und es geht um einen Schüler, der mit einer kleinen Lüge eine Art Bandenkrieg auslöst. Weil er sich nicht traut, eine Sache richtig zu stellen, verdächtigen sich seine Mitschüler der gemeinsten Dinge. Eine Geschichte um Freundschaft, Verleumdung und Verrat, die sich aufgrund ihrer zeitlichen Ansiedelung im Jahre 1931 wie eine Parabel auf den heraufziehenden Nationalsozialismus liest.

Humorvolle Lügengeschichte mit bayerischen Dialogen

Der Film basiert auf dem gleichnamigen Roman von Anna Maria Jokl, den die jüdische Schriftstellerin 1937 im Prager Exil geschrieben hat. In den 1950er Jahren war die "Perlmutterfarbe" das meist ausgeliehene Buch in öffentlichen Büchereien, später geriet es in Vergessenheit. Der Münchner Produzent Robert Marciniak entdeckte den "Kinderroman für fast alle Leute", so der Untertitel von Jokls Buch, zufällig vor drei Jahren: "Die Geschichte hat mich an meine eigene Jugend erinnert."

Schließlich sei der Konflikt des Helden universell: Wie man sich durch eine Notlüge in immer größere Schwierigkeiten bringt, dürfte wohl den meisten Menschen bekannt sein. Nachdem sich Marciniak die Verfilmungsrechte gesichert hatte, bot er Marcus H. Rosenmüller die Regie an.

Über dessen Produktivität kann man mittlerweile nur noch staunen: Seit sein Debütfilm "Wer früher stirbt, ist länger tot" vor anderthalb Jahren für Furore sorgte, brachte der gebürtige Tegernseer drei weitere Filme in die Kinos, der vierte ist bereits abgedreht. Rosenmüller war von dem Stoff so begeistert, dass er gemeinsam mit Christian Lerch, Ko-Autor von "Wer früher stirbt", das Drehbuch schrieb.

Die beiden entwickelten eine humorvolle Lügengeschichte mit ernstem Hintergrund, mit bayerischen Dialogen und einem "Film im Film". Wie die Drehbucharbeit mit dem dichten Terminkalender des Regisseurs zu vereinbaren war, verrät Lerch in einer Umbaupause am Set in Burghausen: "Wir machen das immer so, dass einer was schreibt und dann dem anderen schickt." So gehe das ständig hin und her, innerhalb eines Jahres habe das Buch Form angenommen.

Geschichte mit Grautönen

Von Jokls Vorlage entfernten sich die beiden dabei immer weiter: "Der pädagogische Ansatz ist einfach nicht mehr zeitgemäß. Die Figuren waren alle sehr schwarzweiß gezeichnet", meint Lerch, der auch eine kleine Rolle als Lehrer übernommen hat. "Wir haben versucht, mehr Grautöne hineinzubekommen."

Der Film konzentriere sich nun mehr auf die Kinder, die Erwachsenen bleiben im Hintergrund. Während Schauspielstars wie Brigitte Hobmeier oder Josef Hader wegen ihrer kleinen Rollen während der Dreharbeiten meistens gar nicht da sind, tummelt sich im ehemaligen Kloster eine ganze Horde von Jungschauspielern.

17 Kindersprechrollen gibt es im Film, dazu kommen noch Dutzende von Statisten aus Burghausen und Umgebung. Die müssen bei all den Wartezeiten erst mal bei Laune gehalten werden. Das sei kein Problem, meint Produzent Marciniak und verweist auf seinen Regisseur: "Der Rosi sorgt schon für Stimmung." So auch bei einer Szene in der zum Festsaal umdekorierten Klosterkapelle. Rosenmüller hat das Geschehen im Griff, er spielt den Kindern ihre Passagen vor, animiert die Statisten zu Lachsalven und kontrolliert das Ganze nebenbei in einer blauweiß-karierten Videobox.

Für die Hauptrolle wollte Rosenmüller unbedingt Markus Krojer haben, den Sebastian aus "Wer früher stirbt". Auf seine neue Kurzhaarfrisur angesprochen, mit der man den 14-Jährigen nicht gleich erkennt, meint dieser ganz professionell: "Für einen Film macht man sowieso alles."

An seiner Seite spielt Zoë Mannhardt, die in Detlev Bucks "Hände weg von Mississippi" zu sehen war. Auch sie gibt sich wie ein Profi. Mit ihren Kostümen ist sie zwar nicht immer zufrieden ("Die sehen aus wie ein Kartoffelsack"), dafür lobt sie ausdrücklich das Drehbuch.

Erfolge im Kinderfilmbereich

Bleibt zu hoffen, dass die Beteiligten genauso guter Dinge sind, wenn der Film im Januar 2009 in die Kinos kommt. Schließlich ist das Projekt trotz all der prominenten Namen kein Selbstläufer. Ein historischer Kinderfilm, bei dem die Zielgruppe nicht eindeutig festgelegt ist, der auf einem längst vergessenen Roman beruht und in dem auch noch bayerisch gesprochen wird, wäre vor ein paar Jahren kaum zu finanzieren gewesen. Heute, nach all den Erfolgen im Kinderfilmbereich und dem - größtenteils durch Rosenmüller ausgelösten - neuen Heimatfilm-Boom, trauen sich Produzenten ein bisschen mehr zu.

Noch beruhen die meisten Filme für junge Zuschauer auf populären Buchreihen wie etwa die "Die wilden Kerle" oder "Die wilden Hühner". Produktionen wie die niederbayerische Abenteuergeschichte "Toni Goldwascher" haben aber gezeigt, dass Kinderkino auch ganz anders aussehen kann. Und war es nicht Rosenmüller selbst, der in "Wer früher stirbt, ist länger tot" einen Elfjährigen in den Mittelpunkt stellte und damit Zuschauer aller Altersschichten anlockte?

Noch bis Anfang April dreht er mit seinem Team in Burghausen und Umgebung, danach zieht die mit vier Millionen Euro budgetierte Produktion für zwei Wochen in die Oberpfalz. Wie aber schafft es Rosenmüller, stets an mehreren Projekten gleichzeitig zu arbeiten? Er gesteht: "Die Vorbereitungszeit schlaucht mich schon manchmal." Dann lacht er verschmitzt: "Beim Dreh bin ich dann wieder voll dabei."

© SZ vom 26.03.2008/ktk - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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