Bayerischer Trachtenverband:"Mei, a Weib!"

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Emanzipation bei den Trachtlern: Marianne Hinterbrandner ist die erste Frau an der Spitze eines Trachtenverbands. Im Gespräch verrät sie, wie ihre männlichen Kollegen reagierten.

Kathrin Haimerl

Revolution beim Bayerischen Trachtenverband: Erstmals ist im Freistaat eine Frau an die Spitze eines der 22 regionalen Trachtenverbände gewählt worden. Marianne Hinterbrandner aus Augsburg führt künftig den Altbayrisch-Schwäbischen Gauverband mit etwa 5000 Mitgliedern. Die 64-Jährige folgt in dem Amt ihrem Mann nach, der den Verband 21 Jahre lang geleitet hat.

Erste Frau an der Spitze eines bayerischen Trachtenverbandes: Marianne Hinterbrandner zeigt die Tracht ihres Vereins. (Foto: dpa)

sueddeutsche.de: Herzlichen Glückwunsch, Frau Hinterbrandner, Sie führen jetzt als erste Frau den Altbayerisch-Schwäbischen Gauverband. Wie kam es dazu?

Marianne Hinterbrandner: Mein Mann konnte aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr kandidieren. Na gut, hab ich gesagt, für drei Jahre mache ich es. Und dann hoffe ich, dass ein Junger das Zepter übernimmt.

sueddeutsche.de: Sind Sie die einzige Frau im Vorstand?

Hinterbrandner: Nein. Ganz im Gegenteil. Wir haben in der Vorstandschaft mehr Frauen als Männer.

sueddeutsche.de: Die Reaktion des Landesvorsitzenden des Bayerischen Trachtenverbands, Otto Dufter, auf ihre Wahl war wenig charmant: Möglicherweise habe es keinen geeigneten männlichen Kandidaten gegeben. Was sagen Sie denn dazu?

Hinterbrandner: Typisch.

sueddeutsche.de: Andere würden das vielleicht auch als unverschämt bezeichnen, oder?

Hinterbrandner: Sie müssen wissen, es ist einfach so, dass diese Gauvorstände schon immer ein sehr elitärer Kreis waren. Wir haben zwar viele Schriftführerinnen, viele Jugendleiterinnen, viele Kassiererinnen ... das ist überhaupt kein Thema. Und ganz Unrecht hat er ja nicht. Es gab keinen geeigneten männlichen Kandidaten.

sueddeutsche.de: Dennoch: Sie scheinen für das Amt prädestiniert.

Hinterbrandner: Ja, schon. Ich kenne die Abläufe, ich kenne auch alle Gauvorstände. Und die Gauvorstände kennen mich.

sueddeutsche.de: ... aber?

Hinterbrandner: Ich sage auch Dinge, die andere nicht hören wollen. Beispielsweise hatte ein Gauverband mit einer Brauerei zusammen eine Trachtlerhoibe ( eine halbe Maß Trachtenbier, Anm. d. Red.) kreiert, mit dem Ziel, dass von jedem verkauften Kasten ein bestimmter Betrag in die Jugendkasse geht. Das habe ich kritisiert. Denn wir als Trachtler werden immer wieder angehalten, uns nicht mit Maßkrug fotografieren zu lassen. Sonst heißt es immer nur: Zur Tracht gehört auch der Alkohol. Da fand ich die Idee mit der Trachtlerhoibe unpassend. Zumal die Trachtlerjugend in den 90er Jahren durchgesetzt hat, dass ein alkoholfreies Getränk billiger sein muss als Bier.

sueddeutsche.de: Wie war die Reaktion der männlichen Kollegen?

Hinterbrandner: Besagter Gauvorstand ist dann aufgestanden und hat öffentlich gesagt, dass er sich von mir oder von irgendwelchen Kritikern, die immer was zu Meckern haben, nicht dreinreden lässt. Deshalb kann ich mir auch vorstellen, was viele Männer sich nach meiner Wahl gedacht haben: Mei, a Weib. Und dann ausgerechnet eine, die ihren Mund nicht halten kann.

sueddeutsche.de: Warum soll das Amt des Gauvorstands den Männern vorbehalten sein?

Hinterbrandner: Weil's immer schon so war.

sueddeutsche.de: Aber das ist doch kein Argument.

Hinterbrandner: Für Männer schon. Und wenn Sie in die Gauchroniken des Bayerischen Trachtenverbandes schauen, da ist bis in die 70er Jahre nie eine Frau in Erscheinung getreten. In der ganzen Geschichte.

sueddeutsche.de: Inwiefern kann der Trachtenverband von Ihnen profitieren?

Hinterbrandner: Für mich ist Tracht kein Hobby, sondern eine Lebenseinstellung. Sogar unseren Hochzeitstag haben wir immer auf der Tagung vom Bayerischen Trachtenverband gefeiert.

sueddeutsche.de: Sehen Sie sich als Pionierin?

Hinterbrandner: Ja. Ich weiß, dass in vielen Gauen die Frauen immer mehr Einfluss haben - leider meist nur hinter den Kulissen. Doch ich bin zuversichtlich, dass wir künftig mehr Frauen an der Spitze haben werden.

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