Augsburg:Das Netzwerk vor Gericht

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Vier Betreiber des Bordells "Colosseum" müssen sich vor dem Augsburger Landgericht verantworten - wegen schweren Menschenhandels.

Mike Szymanski

Wenn an diesem Donnerstag in Augsburg vor dem Landgericht der Prozess gegen vier Bordellbetreiber beginnt, dann geht es für Kripo-Chef Klaus Bayerl nicht nur um Frauen, die wie Ware gegen ihren Willen zwischen Bordellen hin- und hergeschoben worden sein sollen. Es geht auch um die sehr grundsätzliche Frage, was die Hintermänner in der Rotlicht-Szene heute dürfen und was nicht. Kripo-Chef Bayerl sagt: "Wir müssen wieder Boden zurückgewinnen."

(Foto: Foto: Stefan Puchner/SZ-Archiv)

Seitdem die Bundesregierung 2002 mit dem Prostitutionsgesetz faktisch die Sittenwidrigkeit der bezahlten Liebe abgeschafft hatte, herrschen neue Gepflogenheiten im Rotlicht-Milieu. Am Rande der Augsburger Innenstadt hat 2004 ein Großbordell eröffnet, wie es den Augsburger Ermittlern bis dahin noch nicht untergekommen war. Vereinsmannschaften sollen Ausflüge in den "FKK Sauna-Club" verlegt haben, der laut Ermittler 60 Euro Eintritt verlangt und offensiv mit mindestens 40 "Elfen der Lust" wirbt. Hinter dieser Fassade vermutet Kripo-Chef Bayerl aber ein "hochkriminelles Netzwerk", das seit Bestehen des neuen Prostitutionsgesetzes selbstbewusst Grenzen auslotet.

Was früher einmal verboten war, ist heute erlaubt. Das mussten die Ermittler 2006 schmerzlich erfahren. Sie hatten Beweise dafür zusammengetragen, dass die Huren sich ihren Freiern ständig nackt zeigen mussten, nicht telefonieren oder in Gruppen beisammen stehen durften und bei Verstößen Strafen zu zahlen hatten. Nach altem Recht wären dies Hinweise auf dirigistische Zuhälterei gewesen. Doch die 8. Strafkammer des Landgerichts lehnte es in einem höchst umstrittenen Urteil ab, gegen fünf Beschuldigte aus dem Bordell ein Hauptverfahren zu eröffnen. Das neue Prostitutionsgesetz billige den Bordellbetreibern eben zu, die Regeln zu bestimmen.

Jetzt haben die Ermittler einen neuen Anlauf unternommen, gegen das Großbordell vorzugehen. Angeklagt sind diesmal drei Männer und eine Frau im Alter von 35 bis 43 Jahren aus dem Umfeld des Bordells wegen des Verdachts des schweren Menschenhandels.

Sie sollen vor allem in Ungarn junge, oft mittellose Frauen unter falschen Versprechungen nach Deutschland gelockt haben, um sie dann in Bordellen wie dem Augsburger "Colosseum" sexuell auszubeuten. Manche der Frauen waren offenbar erst 16 Jahre alt und mussten täglich bis zu 13 Stunden anschaffen. Kripo-Chef Bayerl sagt: "Es geht jetzt darum, ein Zeichen zu setzen. Die Szene muss erkennen, dass sie sich nicht alles erlauben kann."

Im Umfeld des Bordells fühlt man sich mittlerweile von den Ermittlungsbehörden "schikaniert". Nachdem im Februar zum inzwischen fünften Mal Räume des Bordells durchsucht worden waren, beschwerte sich einer der Betreiber-Anwälte beim Justizministerium. Daraufhin empörte sich Reinhard Nemetz, Chef der Augsburger Staatsanwaltschaft: Es handle sich schließlich um ein Bordell und nicht um einen Männergesangsverein. Mit Spannung erwartet man in der Stadtverwaltung den Prozessausgang. Gerne würde man das Bordell schließen - doch noch fehlen die Argumente. "Ohne Urteil sind wir machtlos", erklärte Ordnungsreferent Klaus Kirchner (SPD).

© SZ vom 03.04.2008/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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