"Vaterlandslose Gesellen":Thierse poltert gegen Arbeitsplatzexport

Der Bundestagspräsident hat Unternehmer, die Arbeitsplätze ins Ausland verlagern, harsch kritisiert. Pikanterweise benutzte SPDler Wolfgang Thierse dafür eine Umschreibung, mit der deutsche Sozialdemokraten einst im Kaiserreich beschimpft wurden.

"Sie sind in gewissem Sinne "vaterlandslose Gesellen", weil sie in einem Widerspruch leben", sagte Thierse der Welt am Sonntag.

Recycling einer Formulierung, mit dem vor 90 Jahren seine Partei-Ahnen belegt wurden: Wolfgang Thierse (Foto: Foto: ddp)

"Einerseits erwarten sie an ihrem Lebensort Deutschland eine perfekte Infrastruktur, hervorragende Theater, Universitäten, Krankenhäuser, Straßen und gut ausgebildete Fachkräfte.

Zugleich verlagern sie Standorte nach außen, um weniger Steuern und Abgaben zu zahlen, aus denen all das finanziert wird. Diesen Widerspruch müssen die Unternehmer auflösen."

Zudem werde ein bestimmter Unternehmensbegriff zerstört, "der einmal zur Erfolgsgeschichte Deutschlands gehörte", warnte Thierse. "Die Unternehmen werden auf reine Profiterzeugungsmaschinerien reduziert. Je schneller der Profit erzeugt wird, desto besser. Das war einmal anders."

Mit dem Begriff "Vaterlandslose Gesellen" wurden früher Sozialdemokraten beschimpft, da ihnen national-konservative Kreise wie auch Wilhelm II. unterstellten, nicht ausreichend für Reich und Kaiser zu empfinden und zu tun.

Beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 kam es zum so genannten "Burgfrieden" zwischen den Parteien, auch die Mehrheit der SPD-Reichstagsabgeordneten stimmte den Kriegskrediten zu. Dadurch erhofften sich die Sozialdemokraten, ein für allemal beweisen zu können, keine "Vaterlandslosen Gesellen" zu sein.

© suedddeutsche.de/AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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