(SZ vom 30. Juli 2003 - ) Kinder sollte man schon haben. Oder ein anderes raumgreifendes Hobby. Denkbar sind auch zuversichtliche Gründer einer Ich-AG. Trifft eines dieser Kriterien zu und ist man so um die 40 Jahre alt, soll es nun nur noch eine automobile Wahl geben - den neuen Touran.
Zumindest den Plänen der Werbestrategen von Volkswagen folgend. Denn der in die Höhe geschossene Golf Variant, seit März auf dem Markt, versteht sich als schlussendliche Optimierung eines 4,40 Meter langen Vans. Und er soll vor allem all das richtig machen, was andere Hersteller (noch immer) nicht perfekt im Griff haben.
Was eigentlich kein Problem sein konnte - schließlich rollt er ziemlich spät in dieses Segment, was den Ingenieuren die Möglichkeit gab, Konkurrenten wie Opel Zafira oder Renault Scénic bis ins Detail auf den Zahn zu fühlen.
Durchdachte Einbauküche
Und die Zeit wurde tatsächlich gut genutzt. Der Innenraum des Touran gleicht einer durchdachten und teuren Einbauküche - die bei VW gewohnt hochwertigen Materialien sind einwandfrei verarbeitet, alle Schalter und Hebel überzeugend funktional platziert. Was gebraucht wird, gibt es - mehr nicht. Was in Zeiten, in denen mancher Innen-Designer mehr für sich als für die Praxis arbeitet, nach Lob verlangt.
Von Haus aus kommt der Touran mit fünf Sitzen - Platz sechs und sieben verlangen nach knapp 600 Euro Zuzahlung -, sowohl in der ersten Reihe als auch im Fond sind die Passagiere komfortabel untergebracht. Die Polsterung ist straff, aber nicht zu hart, Bein- und Kopffreiheit sind für lange Strecken ausgelegt. Allerdings sollten sich die drei hinteren Passagiere kennen und obendrein mögen - denn Körperkontakt ist unvermeidlich.
Will man nur zu viert unterwegs sein, ist der Mittelsitz mit wenigen einfachen Handgriffen schnell ausgebaut; dann schluckt der kompakte Van alles für einen dreiwöchigen Urlaub einer vierköpfigen Familie, selbst das Surfbrett passt in voller Länge.
39 Staufächer
Und wer es auf die Spitze treiben will und sich aller hinteren Sitze entledigt, kann bis zu 1989 Liter Kofferraum nutzen. Den restlichen Kleinkram verstaut man einfach in den 39 Staufächern - dann allerdings empfiehlt sich der schwindenden Übersicht wegen eine ausführliche Inventarliste.
Kraftvoller Diesel
Ebenfalls ohne Tadel ist der von uns gefahrene Basis-Diesel, der die steuerbegünstigte EU4-Abgasnorm erfüllt. Seine 100 PS reichen völlig aus, um den 1,5 Tonnen schweren Wagen, der tapfere 662 Kilo Zuladung verträgt, zügig in Fahrt zu bringen. Der TDI ist allen Herausforderungen bis hin zur Höchstgeschwindigkeit von knapp 180 km/h ohne Abstriche gewachsen; unterstützt wird er dabei vom weich zu schaltenden Sechsgang-Getriebe und einem fein abgestimmten Fahrwerk, das weder Kurven noch Tempo scheut.
Und: Der Touran ist auch ein guter Tourer - kräftige 250 Newtonmeter Drehmoment liegen schon bei 1900 Umdrehungen an, der Verbrauch in der Praxis liegt mit gut sechs Liter Diesel nur unwesentlich über der Werksangabe. Unterm Strich also ein ausgewogenes Reiseauto.
Zwischenbilanz
Wer ein tadellos verarbeitetes, technisch perfektes, intelligent eingerichtetes, also ein vernünftiges Auto sucht, ist mit dem Touran zweifellos gut bedient. Zumal bereits in der Basisversion, die 21.800 Euro kostet, schon viele Sicherheitselemente wie aktive Kopfstützen und alle erdenklichen Airbags an Bord sind.
Aber eines fehlt dem Touran völlig: Feeling. Es ist ein erstaunlich emotionsloses Auto, die Karosserie ist schmucklos und bietet selbst anspruchsloseren Augen nicht die geringste Freude.
Aber vielleicht wird eben genau das im Zusammenspiel mit seinem Innenleben zum Fundament für den in Wolfsburg erhofften Erfolg: Schließlich wurde der Golf - trotz der moderaten Retuschen - nicht zuletzt deshalb zum weltweiten Millionen-Erfolg, weil nicht auffiel, wer nicht auffallen wollte.
VW Touran 1.9 TDI; 74 kW (100 PS); max. Drehmoment: 250 Nm bei 1900 Umdrehungen; 0-100 km/h: 13,5 s; Höchstgeschwindigkeit: 177 km/h; Verbrauch: 5,9l Diesel; Preis: 21.800 Euro