VW Polo:Den Kinderschuhen entstiegen

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Mit drei Motorvarianten / 1995 folgt ein Diesel-Aggregat

(SZ vom 10.12.1994) Im Zuge dauerhafter oder zumindest immer wieder aufflammender Diskussionen über Parkplatznot, PS-Leistung und Kraftstoffverbrauch zeigen die Automobilhersteller gerne ihre Kleinwagen in vorderster Reihe. Inzwischen präsentieren sich diese wendigen Stadtautos auch nicht mehr als häßliche Gefährte, in die nur Lebensmüde steigen, sondern sie demonstrieren sich als oft gut ausgestattete und durchaus sichere Wagen der neuesten Generation.

Einer, der in diese Kategorie paßt, ist der neue Polo, den Volkswagen im Oktober dieses Jahres auf die deutschen Straßen rollen ließ. Schon von außen ist seine Zugehörigkeit zum Wolfsburger Konzern nicht zu übersehen, denn von vorne blickt einem der kleine Bruder des neuesten Passat in die Augen, von hinter und der Seite erinnert viel an den Verkaufsschlager Golf. Eine Mischung, die den Polo der dritten Generation aus den Schuhen des Kleinwagens in die Sphären des kleinen Kompaktwagens gehoben hat.

Dieser positive Eindruck wiederholt sich im größer gewordenen Innenraum; Kopf- und Beinfreiheit lassen vorne - der Klasse angemessen - keine Wünsche offen und auch hinten sind sie weitgehend zufriedenstellend. Im Cockpit ist alles aufgeräumt und übersichtlich - es herrscht funktionale Schlichtheit, die kein langes Suchen und Tasten nötig macht. Die Sitzflächen der Vordersitze sind für Menschen mit etwas längeren Beinen zu kurz geraten, dennoch ist die Bestuhlung im Durchschnitt bequem ausgefallen. Neben den Ablagen in den Türen und Stauraum in der Mittelkonsole verfügt der Polo auf der Beifahrerseite nur über ein offenes Minimalfach, aus dem beim Beschleunigen praktisch alles herausfällt, was nicht selbstklebend ist - ein Zugeständnis an zwei Airbags, die für einen Aufpreis von 400 Mark erschwinglich sind.

Der kleine VW, der gegenüber seinem Vorgänger um fünf Zentimeter an Länge abgenommen hat und jetzt 3,72 Meter mißt, ist im Basismodell mit drei Türen ausgestattet und für 895 Mark in einem Fünftürer zu verwandeln. Hinter der Heckklappe, die weit genug nach oben schwingt, um nicht anzuecken, verbirgt sich ein Gepäckraum mit einem Volumen von 245 Liter. Wird die hintere Lehne, die serienmaßig nicht teilbar ist, umgeklappt, vergrößert sich der Kofferraum auf maximal 975 Liter. Ein sehr ansehnlicher Wert, der aber dadurch geschmälert wird, daß die Ladekante zu hoch liegt und der Kofferraum wie eine dunkle, tiefe Höhle wirkt und nicht gut zu beladen ist.

Als Basismotor hat der Polo ein 1,0- Liter-Aggregat, das über 33 kW (45 PS) Leistung verfügt. Daß bei einem so schwachen Triebwerk keine Höchstleistungen zu erwarten sind, dürfte eine Selbstverständlichkeit sein. Dennoch die Daten für die Statistiker: 145 km/h Höchstgeschwindigkeit, die Beschleunigung von Null auf 100 km/h vollzieht sich in 21,4 Sekunden. Da diese Kraft für zügige Überholmanöver nicht ausreicht, ist der Polo naturgemäß mehr im Stadt- als im Überlandverkehr zu Hause. Der Drittelmix von 6,6 Liter Kraftstoff auf 100 Kilometer wäre ein akzeptabler Wert, würde nicht das kleinste Triebwerk mit Superbleifrei betankt werden müssen.

Außer dem Basisaggregat bietet Volkswagen für den Polo noch einen 1,3-Liter- und einen 1,6-Liter-Benziner an, die 40 kW (55 PS) beziehungsweise 55 kW (75 PS) leisten. Für Anfang kommenden Jahres ist geplant, die Palette um einen 1,9-Liter-Diesel mit 47 kW (64 PS) zu erweitern. Alle Antriebsarten erfüllen bereits die Abgaswerte, die 1996 Vorschrift werden.

Die Basisausstattung des 18 295 Mark teuren Polo bietet einiges ansehnliches: In punkto Sicherheit gehören höhenverstellbare Sicherheitsgurte mit Gurtstraffern, innen verstellbare Außenspiegel, höhenverstellbare Lenksäule und vor allem die elektronische Wegfahrsperre dazu. Der Fahrzeugschlüssel beinhaltet einen elektronischen Schaltkreis, in den eine individuelle Geheimnummer eingegeben wird. Steckt man den richtigen Schlüssel ins Schloß kann sofort gestartet werden. Ein Sicherheitsaspekt, den Autos, die von 1. Januar an gebaut werden, sowieso erfüllen müssen.

Der neue Polo - den Kinderschuhen bei Weitem entstiegen - präsentiert sich als kompakter und gut verarbeiteter Kleinwagen, der nicht nur beim Karosseriedesign an Frische dazugewonnen hat. Mit einer Jahresstückzahl von 350 000 erhofft sich VW weiterhin Eintritt in den Kleinwagenmarkt zu verschaffen. Bei den Juroren zur Wahl 'Car of the Year '95' hinterließ der Polo bereits einen positiven Eindruck: Dort belegte er Rang zwei.

Von Marion Zellner

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