VW Lupo:Der kleine Wolf in der großen Herde

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Mit hochwertiger Verarbeitung, umfangreicher Ausstattung, drei Motorvarianten - und Charme

(SZ vom 09.09.1998) Wer sich heute nach dem Zeitgeist richten will, scheint um Modeworte nicht mehr herumzukommen. So jedenfalls begründet Volkswagen die Ansammlung von Anglizismen bei der Präsentation des kleinsten, neuen Modells - dem Lupo. Diesen automobilen Zwerg beschreiben die Wolfsburger mit den Begriffen Lifestyle, Understatement, Performance und Optimism. Das soll dem potentiellen Käufer sagen, daß der Auftritt mit dem Lupo für optimistischen Lebensstil mit Neigung zur Zurückhaltung steht - Attribute, die in der heutigen Zeit wieder modern geworden sind.

Und tatsächlich kann der Lupo mit mehrheitlich positiven Merkmalen aufwarten, wenn man ihn das erste Mal zu Gesicht bekommt. Nicht überraschend ist, daß der Lupo seinem Konzern-Bruder Seat Arosa vor allem von hinten ähnlich sieht. Von vorne verlieh VW dem Wolf, was Lupo aus dem Lateinischen übersetzt bedeutet, natürlich ein eigenständiges Erscheinungsbild. Aus kugelrunden Augen blickt der Lupo den Betrachter an, wobei die unterhalb der Leuchten plazierten Blinker, die wie weiße Zusatzscheinwerfer wirken, den kecken Eindruck verstärken.

"Kleinstes, richtiges Auto"

Als "kleinstes, richtiges Auto" bezeichnen die Wolfsburger ihren Lupo, und sie haben recht damit, daß der Lupo keine kleine Kiste ist, die ein Sammelsurium an Kompromissen in sich vereint. Der Innenraum ist dafür der beste Beweis. Der Arbeitsplatz des Fahrers ist typisch VW, das heißt, alle Bedienelemente haben ihren angestammten Platz. Das Armaturenbrett wird von zwei Rundinstrumenten dominiert, die mit matten Alurahmen eingefaßt sind. Bei Licht leuchten die Anzeigen - wie schon beim Golf - in blauem Licht mit roten Zeigern. Ein gutes Raumgefühl vermittelt vor allem das weit nach vorne gezogene Armaturenbrett, wie man es schon vom New Beetle kennt.

Die Sitze des 3,5 Meter kurzen Lupo sind gut geschnitten, die Verstellmöglichkeiten sind soweit ausreichend, daß auch lange Zeitgenossen nicht mit den Knien lenken müssen. Auf der Rückbank können - je nach Gusto - zwei oder drei Personen Platz finden. Allerdings übertreibt VW ein bißchen, wenn behauptet wird, diese drei Passagiere hätten dort "bequem" Platz. Auch wenn die Seitenverkleidungen beim Fünfsitzer hinten schmaler geworden sind, bleibt enger Körperkontakt nicht ausgeschlossen. Positiv ist, daß auch bei drei Hinterbänklern alle mit einer Kopfstütze versorgt werden. Ein Manko ist dann die nicht teilbare Rückbank, so wie sie die Version für zwei Hintermänner hat.

Für den Lupo wird es vom Verkaufsstart am 16. Oktober an drei Motoren zur Auswahl geben. Als Basisaggregat dient ein 1,0-Liter-Triebwerk mit einer Leistung von 37 kW oder 50 PS (Null auf 100 km/h in 17,9 Sekunden, Höchstgeschwindigkeit 152 km/h). Der kleine Vierzylinder ist als Triebkraft für den 968 Kilogramm leichten Wagen vollkommen ausreichend.

Der 1,4-Liter-16V mit 55 kW (75 PS), fällt zunächst durch seine Durchzugsfreude auf. Allerdings wird das Vergnügen daran etwas durch die deutlich hörbaren Motorgeräusche gedämpft (Null auf 100 km/h in 12,0 Sekunden, Höchstgeschwindigkeit 172 km/h). Der Sparsamste der Motoren ist das dritte Aggregat, der SDI mit 1,7 Liter Hubraum und 44 kW (60 PS) verbraucht nach neuer Norm nur 4,4 Liter Kraftstoff auf 100 Kilometer. Die Verbrauchswerte der Benziner liegen bei 5,8 und 6,2 Liter Super. Der Direkteinspritzer verrichtet seine Arbeit gutmütig, und auch der Geräuschpegel hält sich in Grenzen. Bei allen drei Versionen ist ein Fünfgang-Getriebe serienmäßig.

Die Verkaufsstrategen sind sich sicher, daß sich mehr als 50 Prozent der Käufer - und das werden hauptsächlich Frauen und junge Autofahrer sein - für die Basismotorisierung entscheiden werden. An zweiter Stelle wird der SDI mit rund 25 Prozent folgen; dem Rest teilen sich der 1,4-Liter und später folgende 100 PS- und TDI-Varianten.

Als Ausstattungsversionen stellt VW die Basis, Trend- und Comfortline zur Wahl. Zur Serie gehören unter anderem zwei Airbags (Seitenairbags, ABS, Klimaanlage optional), eine höhenverstellbare Lenksäule, Gurtstraffer und -begrenzer an den Dreipunkt-Gurten, die bereits erwähnten hinteren Kopfstützen und Isofix-Vorbereitungen. Eine Servolenkung ist ab dem 60 PS-Diesel Serie. Die sehr praktische, sogenannte Easy-Entry-Funktion, die einem das Einsteigen auf die hinteren Plätze erleichtert, gibt es zum Aufpreis von 490 Mark im Vario-Plus-Paket, das einen höhenverstelbaren Fahrersitz, Radvollblenden, teilbare Rückbank und auch grüne Wärmeschutzverglasung beinhaltet. Bei Comfort- und Trendline ist Easy-Entry Serie.

100 000 Käufer jährlich

Im Fahrverhalten zeigt sich der Lupo leicht beherrschbar, mit seinen kompakten Maßen ist er für den Stadtverkehr prädestiniert. Das gute Raumgefühl macht ihn zu einem Kleinwagen, in dem man sich auch auf längeren Strecken wohlfühlen kann. Für Schlüssel und Papiere muß man mindestens 17 990 Mark auf den Tisch des Hauses legen - dafür bekommt man ein vollwertiges, kleines Auto, das dem Besitzer keine Kompromisse abverlangt. Das heißt, VW scheint mit der eigenen Einschätzung des Lupo auf der richtigen Linie zu liegen - jetzt müssen nur noch 100 000 Käufer jährlich überzeugt werden.

Von Marion Zellner

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