VW Golf Ecomatic:Springt er wieder an?

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Die Schwungnutz-Automatik schaltet bei Stopps den Motor ab

(SZ vom 13.11.1993) Anläßlich der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt erhob Greenpeace den Vorwurf, die Automobilindustrie hätte längst das Drei-Liter-Auto konstruktiv fertig, doch aus wirtschaftlichen Überlegungen würde man es nicht auf den Markt bringen. Nun, das Vier- Liter-Auto kann man schon kaufen, und zwar bei Volkswagen. Ob es ein Verkaufserfolg wird, bleibt jedoch die Frage. Denn der Golf Ecomatic aus Wolfsburg macht zumindest zweierlei deutlich: Energieeinsparung gibt es nicht zum Nulltarif, und um Kraftstoff beim Autofahren zu sparen, sind viele technische Klimmzüge am Fahrzeug erforderlich.

Der Name Ecomatic steht für eine Technik, die eigentlich ganz simpel ist: Immer dann, wenn man den Motor nicht benötigt, schaltet er sich einfach ab. Das kann beim Ampelstop passieren oder auch mitten auf einer verstopften Kreuzung. Auch wenn man genug Schwung hat und den Fuß vom Gaspedal nimmt, erkennt die Elektronik nach wenigen Sekunden, daß der Motorantrieb überflüssig ist. Panik kommt bei dieser neuen Art des Fahr-Sparens eigentlich nur auf den ersten Fahrkilometern auf, denn wenn plötzlich der Motor abstirbt, stellt sich automatisch die Frage: Wird er auch wieder rechtzeitig anspringen? Er tut es. Einfach Gas geben, und der Golf Ecomatic setzt sich wieder in Bewegung. Zuvor wird dem Fahrer noch über eine blinkende Lampe signalisiert, in den ersten Gang zu schalten, denn nur so kann man schließlich aus dem Stand wieder anfahren. Mit der Halbautomatik ist das Schalten ein Kinderspiel, weil das Aus- und Einkuppeln mit dem Fuß entfällt.

Die Ecomatic bietet eigentlich nichts anderes als eine elektronische Optimierung der Fahrweise, denn natürlich könnte man an der Kreuzung auch selbst den Motor abstellen und beim Dahingleiten den Leerlauf einlegen und den Motor abschalten. Indes: Durch das ausgeklügelte Elektroniksystem werden die Möglichkeiten der Kraftstoffeinsparung wesentlich besser und angenehmer genutzt. Dazu gehört es auch, daß dem Fahrer nahezu pausenlos über eine Anzeigelampe signalisiert wird, den nächsthöheren Gang zu wählen. Zusätzlich hat Volkswagen natürlich etliche Vorkehrungen getroffen, damit der Fahrzeugbetrieb auch bei Stillstand des Triebwerks keine Probleme bereitet: Eine Pumpe wälzt das Kühlwasser um, damit es im Fahrzeug mollig warm bleibt, und eine weitere Pumpe sorgt dafür, daß die Servounterstützung für die Lenkung auch dann geboten wird, wenn das Fahrzeug kraftstoffsparend dahinrollt. Schließlich mußte man dem Fahrzeug auch noch eine zweite Batterie spendieren, denn aufgeladen wird ja nur, wenn der Motor läuft.

Bei Versuchsfahrten mit dem Ecomatic im innerstädtischen Verkehr von Hannover wurde schnell deutlich, wie oft inzwischen 'Stop' und wie selten noch 'Go' angesagt ist. Der Motor legte ständig Pausen ein. Auf den ersten Kilometern war man nach einem Motorstop natürlich immer darauf bedacht, möglichst frühzeitig wieder Gas zu geben. Doch mit der Zeit vertraute man der Technik.

Bevor man in den Genuß des Sparens kommt, muß man jedoch für den Schaltautomat und zusätzliche Ecomatic-Technik einen Aufpreis von 2300 Mark (Fahrzeuggrundpreis 26 975 Mark) akzeptieren.

Um den Nutzen der Schwungnutz-Automatik und das Fahrverhalten im alltäglichen Verkehr zu testen, hatte Volkswagen einige seiner Golf Ecomatic der niedersächsischen Polizei für den täglichen Einsatz zur Verfügung gestellt. Heimlich wurde auch ein kleines Zählwerk installiert, um festzuhalten, ob die Ecomatic nicht einfach abgeschaltet wurde. Einige der Test-Polizisten waren mit dem Fahrverhalten und der Sparautomatik wohl unzufrieden, denn sie schalteten diese ab und der Verbrauch schnellte auf 6 Liter hoch. Sowie die Schwungnutz-Automatik wieder in Betrieb war, wurden nur noch 4 Liter Diesel pro 100 Kilometer eingespritzt.

Von Hans-Rüdiger Etzold

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