Volvo R-Generation:Ganz oben wäre Bescheidenheit falsch

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Volvo tritt mit den Modellen der neuen R-Generation gegen die Konkurrenz von Audi, BMW und Mercedes an.

Joachim Becker

(SZ vom 20. 11. 2002) - Es war eine stürmische Romanze, die Wolfgang Reitzle mit Volvo anfing. Die Marke hatte den Ruf höchster Solidität und Sicherheit, als besonders sportlich und lebenslustig galt die eiserne Lady nicht. Nach drei Jahren hat der Mann mit dem Oberlippenbart die Premier Automotive Group (PAG) wieder verlassen.

R-starkt: Mit den R-Modellen zielt Volvo endgültig auf die Leistungsgierigen. (Foto: Foto: Volvo)

Doch die Folgen der automobilen Leidenschaft werden bei den Schweden erst jetzt sichtbar. "Die Sportwagen S60 R und V70 R sind zwar keine Reitzle-Babys, aber er hat maßgeblich zur Produktentwicklung beigetragen", erzählt Stefan Müller.

Die Volvo-Ingenieure hätten großen Respekt vor dem Urteil des früheren BMW-Chefentwicklers gehabt. Müller, den Geschäftsführer von Volvo Deutschland, hatte Reitzle von BMW gleich mitgebracht.

"Höhle des Löwen"

"Deutschland ist ein extrem anspruchsvoller Markt für solche Modelle", weiß Volvo Marketing- und Vertriebsvorstand Dieter Laxy, "wir begeben uns in die Höhle des Löwen."

Der aufgeladene und überarbeitete Fünfzylinder in den beiden R-Varianten zielt allerdings auf eine Marktlücke unterhalb der Achtzylinder-Platzhirsche von Audi, BMW und Mercedes AMG.

Besonders der Kombi V70 R gibt sich mit viel Platz, Vierradantrieb und einer frei wählbaren Fahrwerksauslegung als familienfreundlicher Allrounder. Für den Fahrspaß sorgen die 300 PS an Bord.

Selbstbewusst sind die Schweden. Sie präsentierten ihre neuen Turbomodelle auf der Formel-1-Teststrecke Paul Ricard. Bei nordisch nebligem Wetter und Dauerregen wurde die Piste zur Rutschbahn und der für den XC90 entwickelte Allradantrieb konnte seine Stärke zeigen - er verteilt die Motorkraft je nach Straßenzustand unterschiedlich stark auf die vier Räder.

Eine intelligente Fahrwerkstechnik (Four-C) sorgt über die per Tasten wählbaren Einstellungen Comfort, Sport und Advanced Sport über die jeweils passende Dämpfung.

An diesem Tag fährt kein normaler Mensch im Autobahntempo durch Kurven und Schikanen. Trotzdem, in 5,7 Sekunden ist die Truppe mit trompetenden Motoren auf Tempo 100. Der 2,7-Liter-Fünfzylinder-Turbo mit einem maximalen Drehmoment von 400 Newtonmetern wird mittels zweier Ladeluftkühler bei Temperatur gehalten, befördert die R-Wagen bis zum elektronisch abgeregelten Höchsttempo 250.

Wilde Hatz

Auf dem glatten Untergrund der Rennpiste greift die Antischlupfregelung an allen vier Rädern gleichzeitig ein. Doppelschikane mit 70 km/h, aber die allradgetriebene Fuhre kommt nicht ins Rutschen. Auf der Geraden gehen die dreihundert Pferde dann in die Vollen, die Auslaufzonen der Rennstrecke und die Sicherheitsphilosophie der Schweden legen sich beruhigend aufs erhitzte Gemüt.

Vier-Kolben-Bremssättel bringen die wilde Jagd schließlich an der Box zum Stehen. Ein etwas betäubter Blick auf das Cockpit: Statt im sportlich-straffen Renntrimm war ich im gemütlichen Comfort-Modus unterwegs.

Die schlaue Fahrwerkselektronik hätte es wohl noch etwas schneller gekonnt.

Zugegeben, die allermeisten Volvos werden wohl abseits der Rennstrecken bewegt. Aber ein Fahrwerk, das sich 500 Mal pro Sekunde auf die Straßenverhältnisse einstellt, ist im Winter auch bei normalem Tempo von Vorteil. "Die meisten Sportwagen bleiben bei schlechtem Wetter zu Hause", sagt Baureihen-Manager Hans Nilsson, "mit den R-Modellen hört der Spaß auch auf Schnee und Eis nicht auf."

Selbst das Tanken schlägt nicht unmittelbar auf die Laune. Mit einem Praxisverbrauch von 13,1 Litern bei sportlicher Landstraßenfahrt ist der fast 1.800 Kilo schwere V70 R noch recht bescheiden. Auch der Preis soll unter dem Niveau der Wettbewerber liegen, wenn die rasenden Rs im nächsten Juni auf die deutschen Straßen kommen.

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