Vollkasko-Versicherungen:Das Voll-Fiasko

Lesezeit: 2 min

Mogelpackung Vollkasko-Versicherung: Wer meint, rundum abgesichert zu sein, irrt. Auf welchen Schäden man sitzen bleibt - und was man tun kann.

Günther Fischer

Es ist noch gar nicht so lange her, da offerierte der ADAC seinen Kunden einen neuen Vollkasko-Service, mit dem Schäden nun in nahezu allen Fällen reguliert würden. "Nanu?", werden Sie jetzt vielleicht fragen, ist das bei einer Vollkasko-Versicherung nicht ohnehin selbstverständlich?

Fallen die Fahrräder durch unsachgemäße Befestigung wieder runter und beschädigen das Auto, muss die Vollkasko nicht zahlen. (Foto: Foto: AP)

Ist es leider nicht. Schon so mancher, der seine Vollkasko für ein sicheres Ruhekissen hielt, wurde aus allen Träumen gerissen. Wie Robert K., der beim Überholen den Gegenverkehr übersah. Als er der Versicherung seinen eigenen Sah- und Krachschaden in Höhe von 7800 Euro in Rechnung stellte, weigerte sie sich, zu zahlen. Schlimmer noch: Der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe kam zum Schluss, das "ein schlichtes Übersehen des Gegenverkehrs ohne besonderen äußeren Grund gerade darauf hindeutet, dass der Fahrer die beim Überholen gebotene Aufmerksamkeit in besonders hohem Maße verletzt hat". Er gab der Versicherung Recht.

Trotz Vollkasko kein Geld

Was Robert K. zum Verhängnis wurde, ist ein gängiger Vertragspassus, der von vielen Autofahrern meist erst dann entdeckt wird, wenn's zu spät ist. "Die Einrede der groben Fahrlässigkeit", wie dieses Kleingedruckte in der Juristensprache heißt.

Gemeint sind damit größere, aber auch überraschend alltägliche Autofahrer-Sünden, die vom Gesetzgeber als "grobe Fahrlässigkeit" eingestuft werden. So gilt das reflexartige Bücken nach der heruntergefallenen CD ebenso als schuldhaftes Fehlverhalten wie das Überfahren einer roten Ampel - selbst wenn die Sonne dabei blendet.

Diese Rechtslage macht es den Versicherern also relativ einfach, auch Vollkasko-Leistungen anzufechten. Man beruft sich auf Paragraf 61 des Versicherungs-Vertragsgesetzes, der besagt, dass keinen Anspruch auf die Versicherungsleistung hat, "wer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeiführt." Der Rest ist dann Auslegungssache und Sache von vielen Prozessen.

Rundumschutz? Fehlanzeige!

Aber Vollkasko täuscht auch in anderen Fällen einen Rundumschutz vor, der de facto nicht vorhanden ist: Reifenschäden allein, das heißt: ohne weiter Schäden am Fahrzeug, sind nicht abgedeckt. Auch nicht das Fahren über eine Glasscherbe.

Bei solchen Reifenschäden, aber auch bei verrutschter Ladung und anderen Vorkommnissen (siehe Bildstrecke) ist die Vollkasko also lediglich eine Ergänzung der Teilkasko. Deckt diese bereits Beschädigungen durch Brände, Diebstahl, Explosionen, Wetter und Wildunfälle ab, erweitert die Vollkasko den Risikoschutz um die Bereiche Unfall und mut- oder böswillige Handlungen fremder Personen.

Ausgeschlossen sind damit alle Schäden, die nicht durch einen Unfall verursacht wurden. Das betrifft eben genau alle Betriebs- und Bedienungsschäden, für die der Fahrer selbst verantwortlich ist.

Wer absolut auf Nummer sicher gehen möchte, der kann sich zusätzlich versichern, also quasi eine "Vollkasko plus" abschließen. Es gibt Versicherungen, die eine solche "Allgefahrenabdeckung" anbieten. Diese Zusatzversicherung schließt dann alle Schadensfälle ein - außer eigenem mutwilligen Verhalten und Verschleiß. Der Nachteil: Es kostet mal wieder extra - in der Regel zehn Prozent Aufpreis auf die schon bestehende Vollkasko.

Es gibt zwar inzwischen immer mehr Versicherungen, die auf die eingangs erwähnte "Einrede der groben Fahrlässigkeit" verzichten - aber nur wenige freiwillig, die anderen erneut gegen einen Aufschlag. Es bleibt also nichts anderes überig, als zunächst seinen Vertrag nachzulesen und dann die eigene Versicherung anzurufen. Damit man auch mal eine rote Ampel überfahren kann, ohne gleich zittern zu müssen.

Eines wird aber von Versicherungen nie reguliert werden: Schäden, die vom Fahrer mit eindeutigem Vorsatz herbeigeführt werden.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: