Verkehrszeichen:Experten kritisieren Schilder-Streichliste

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Im kommenden Jahr sollen 22 der insgesamt 420 Verkehrszeichen verschwinden. Automobilclubs warnen allerdings vor Sicherheitsrisiken.

Tobias Opitz

Etwa 20 Millionen Verkehrsschilder stehen derzeit an deutschen Straßen, seit Jahren wird immer wieder die Durchforstung des wuchernden Schilderwaldes gefordert. Jetzt hat Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) angekündigt, "den Spaten in die Hand zu nehmen" und 22 der insgesamt 420 Verkehrszeichen, Zusatzzeichen und Sinnbilder komplett aus dem Verkehr ziehen zu wollen. Es gehe darum, die Verkehrsteilnehmer von unnötigen Informationen zu entlasten, denn: "Weniger Ablenkung bedeutet mehr Sicherheit", betonte Tiefensee.

Eisige Zeiten für Verkehrszeichen. (Foto: Foto: dpa)

Die vom Bundesverkehrsministerium vorgestellte Streichliste - von der Ausschilderung eines Wandererparkplatzes über den Hinweis auf eine bewegliche Brücke bis hin zur Warnung vor einem Zebrastreifen - ist das Ergebnis von Arbeitsgruppen, die sich aus Experten der Länderverkehrsministerkonferenz zusammensetzten.

Derzeit, so heißt es in Berlin, sei "das Ganze auf der Ebene der Anhörung"; nach Auswertung der Stellungnahmen werde angestrebt, die Streichung der Verkehrszeichen aus der Straßenverkehrsordnung (StVO) dem Bundesrat vorzulegen und zum 1. Januar 2009 in Kraft treten zu lassen. Gleichzeitig sollen auch die Verwaltungsvorschriften, die das Aufstellen von Verkehrsschildern regeln, gestrafft werden.

Bei den Automobilclubs stößt das Vorhaben des Bundesverkehrsministeriums grundsätzlich auf Zustimmung. Allerdings, so Andreas Hölzel vom ADAC, sei "die Auswahl der abzuschaffenden Schilder zu willkürlich". Insbesondere sicherheitsrelevante Schilder müssten die Verkehrsteilnehmer auch künftig auf mögliche Gefahren aufmerksam machen: "Die Warnung vor Split oder Schotter kann für Motorradfahrer lebensrettend sein, und zum Beispiel auch der Hinweis auf einen Bahnübergang ist angesichts der vielen schweren Unfälle unverzichtbar", stellt Andreas Hölzel klar.

Leise Zweifel an der Minister-Auswahl gibt es auch beim Automobilclub von Deutschland (AvD). Zwar begrüßt man auch dort im Grundsatz den Plan, weniger Schilder an die Straßenränder zu stellen, weil im Rahmen der selektiven Wahrnehmung überhaupt nur 25 Prozent aller Schilder während der Fahrt wahrgenommen würden. Aber: "Es kommt im Sinne der Sicherheit nicht auf die Quantität, sondern auf die Qualität der auf diese Weise vermittelten Informationen an", sagt AvD-Sprecher Dirk Eickmeier.

Dem Aufstellen eines Verkehrsschildes sollte vor allem "die Bewertung der individuellen Örtlichkeit" vorausgehen - so müsse nicht grundsätzlich in der Nähe eines jeden Flugplatzes das Gefahrzeichen 144 "Flugbetrieb" stehen, sondern nur da, wo zum Beispiel wie "rund um Frankfurt die Jumbojets über die Autobahn donnern".

Darüber, dass zu viele Verkehrsschilder das Unfallrisiko eher erhöhen, ist man sich auch in der Wissenschaft seit langem einig. "Maximal drei bis fünf Schilder können während der Fahrt gleichzeitig wahrgenommen werden; die unterschiedlichen Informationen müssen erkannt und abgespeichert werden - was vor allem bei ständiger Ablenkung problematisch ist", sagt Mark Vollrath, Professor für Kognitions- und Ingenieurpsychologie an der Technischen Universität Braunschweig.

Deshalb müssten wichtige Hinweise wie Vorfahrt, Geschwindigkeit oder Gefahr eindeutig sein und dürften nicht durch vergleichsweise unwichtige Informationen auf Gasthöfe oder Flohmärkte verwässert werden. Vollrath weist zudem darauf hin, dass Schilder "klare und eindeutige Botschaften vermitteln müssen". Und nennt als ein Beispiel den Hinweis auf möglichen Steinschlag: "Eigentlich soll das Schild vor auf der Straße liegenden Steinen warnen; stattdessen verleitet es Autofahrer dazu, angstvoll in die Höhe zu gucken."

© SZ vom 19.07.2008/grc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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