Verkehrsurteil:Fahrerflucht ist nicht immer strafbar

Wer sich von einem Unfall entfernt, den er gar nicht bemerkt hat, kann nicht wegen Fahrerflucht bestraft werden - so urteilte das Bundesverfassungsgericht und kippt damit die bislang gängige BGH-Rechtsprechung.

Wer sich von einem Unfall entfernt, den er gar nicht bemerkt hat, kann nicht wegen Fahrerflucht bestraft werden. Das Gesetz gebe hierfür keine Grundlage, stellte das Bundesverfassungsgericht in einem am Freitag in Karlsruhe bekannt gegebenen Beschluss klar. Die langjährige gegenteilige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) ist danach verfassungswidrig. (Az: 2 BvR 2273/06)

Wer sich von einem Unfall entfernt, den er gar nicht bemerkt hat, kann nicht wegen Fahrerflucht bestraft werden - so der BGH. (Foto: Foto: dpa)

Der Beschwerdeführer hatte auf einem Baustellenabschnitt verbotswidrig überholt. Dadurch aufgewirbelter Rollsplitt verursachte bei dem überholten Auto Schäden in Höhe von fast 1900 Euro. Als der Überholer kurz darauf zu einer Tankstelle abbog, machte der geschädigte Fahrer ihn dort auf den Vorfall aufmerksam. Der Beschwerdeführer bestritt die Sache und entfernte sich, ohne dem anderen Fahrer Name und Anschrift zu hinterlassen. Das Amtsgericht Herford verurteilte ihn deswegen "wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort" zu einer Geldstrafe.

Nach einem Unfall müssen Autofahrer am Unfallort bleiben, bis die Sache geklärt ist. Nur in Ausnahmen dürfen sie den Ort verlassen, wenn dies "berechtigt oder entschuldigt" ist; sie müssen dann aber nachträglich dem Unfallgegner ihre Personalien mitteilen. Nach bisheriger BGH-Rechtsprechung steht das "unvorsätzliche Entfernen" ohne Kenntnis des Unfalls einem "entschuldigten Entfernen" gleich. Daher meinte das Amtsgericht Herford, der Überholer habe dann nachher an der Tankstelle seine Anschrift angeben müssen.

Wie das Bundesverfassungsgericht entschied, geht dies aber deutlich über den Gesetzeswortlaut hinaus. Unter den Begriffen "berechtigt oder entschuldigt" lasse sich das "unvorsätzliche Entfernen" nicht fassen. Eine entsprechende oder "analoge" Anwendung der Vorschrift scheide im Strafrecht aber aus.

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