Verkehrsgerichtstag:Alcolocks kein Wundermittel

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Alkoholempfindliche Zündsperren sollen Trinker vom Steuer fern halten. Grundsätzlich eine gute Idee. Doch viele Fragen bleiben offen.

Nachts auf Rügen: Ein Auto gerät beim Überholen frontal in den Gegenverkehr, vier Teenager sterben. Die A5 bei Bad Homburg: Ein Autofahrer rast mit seinem Fahrzeug gegen einen Kleinwagen. Drei Tote. Bei Weidung in Bayern kommen fünf Menschen ums Leben, als ein 29-Jähriger mit seinem Pkw ein anderes Auto rammt und dieses in den Gegenverkehr schleudert.

Erst pusten, dann fahren: Ein Mann testet das Alcolock-System (Foto: Foto: AP)

Drei Unfälle aus jüngster Zeit. Drei Mal waren die Fahrer betrunken. Möglicherweise könnten die Opfer noch leben, wenn die Fahrzeuge der Unfallverursacher mit speziellen Zündsperren ausgerüstet gewesen wären, die auf Alkohol reagieren, so genannten Alcolocks.

Dann hätten die betrunkener Fahrer nicht starten können. Beim Verkehrsgerichtstag in Goslar debattierten Experten darüber, ob diese Alcolocks das Problem "Alkohol am Steuer" lösen können.

Die Installation sensorischer Wegfahrsperren sei grundsätzlich zu befürworten, meint zum Beispiel der Experte des Auto Club Europa (ACE), Gert Schleichert. Die Alcolocks könnten nämlich das Starten eines Fahrzeugs verhindern, wenn der Fahrer angetrunken ist. Der Apparat misst die Alkoholkonzentration in der Atemluft.

In Schweden und Finnland gibt es nach Auskunft des Fachmanns bereits staatlich gestützte Programme zur Einführung dieser Apparate mit dem Ziel, die Zahl der Unfälle von betrunkenen Fahrern zu reduzieren. Eine gesetzliche Einbaupflicht in Deutschland lehnt Schleichert aber ab, denn abstinenten Autofahrern sei es nicht zuzumuten, "viele Hundert Euro in Alkoholsensoren zu investieren".

Technische und rechtliche Bedenken

Der Automobilclub von Deutschland (AvD) dagegen hält atemalkoholsensitive Zündsperren grundsätzlich für ungeeignet. Die Technik sei nicht zuverlässig genug, sagt ein Sprecher. Der obligatorische Einbau in alle Fahrzeuge wäre zudem "unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig". Alcolocks würden außerdem die Promillegrenze indirekt auf 0,0 senken und somit jegliche Alkoholfahrt unter Strafe stellen.

Der ADAC sieht ebenfalls "noch zahlreiche ungelöste Fragen". Wenn ein angetrunkener Fahrer die Sperre "durch den Beifahrer oder andere Kunstgriffe" umgehen könne, sei die Schutzwirkung praktisch gleich Null, sagt ADAC-Jurist Christian Döhler. Außerdem müsse geklärt werden, "ob sich ein alkoholisierter Autofahrer entlasten kann, wenn sein Wagen wegen eines Systemfehlers die Fahrt trotz Fahne frei gibt".

Auch der Deutsche Anwaltverein (DAV) macht "Bedenken in technischer und rechtlicher Hinsicht" geltend. Die Geräte könnten leicht manipuliert werden, sagt Klaus Schneider von der DAV- Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht. Außerdem könnten "Fehlfunktionen zu erheblichen Beeinträchtigungen führen".

Es sei für angetrunkene Fahrer zudem sehr einfach, jemand anderen pusten zu lassen. Zumindest einen kleinen Kreis möglicher Anwender hat der Präsident des Verkehrsgerichtstages, Professor Friedrich Dencker, ausgemacht: Alkoholsünder, "die bei einer medizinisch-psychologischen Untersuchung als noch nicht hundertprozentig geeignet zum Fahren eingestuft werden". Diesen Personen könne man auferlegen, das Gerät zum Beispiel zwei Jahre lang zu nutzen. Aber: "Ein Wundermittel ist das nicht. Zu glauben, dass wir damit das Problem Alkohol am Steuer lösen können, ist nicht realistisch."

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