Vergleich Smart Cabrio / BMW C1:Überlegenheit ist relativ

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Trotz völlig verschiedener Anlagen können beide Fahrzeuge ihre Kernkompetenz mit Nachdruck unter Beweis stellen

(SZ vom 15.07.2000) Kann man ein Zweirad mit einem vierrädrigen Mobil überhaupt vergleichen? Oder ist nicht schon der Ansatz, die Eigenschaften eines Smart Cabrios und eines BMW C1 in Beziehung setzen zu wollen, gleich bedeutend mit dem berühmten "Äpfel-Birne-Problem"? Denn niemals wird ein Zweirad das können, was ein Auto zu leisten vermag und umgekehrt. Und so gibt es nur eine Rechtfertigung für das Tun der SZ: Sowohl die Konstrukteure des Smart wie die des BMW C1 sind mit der Maßgabe angetreten, ausgefahrene Gleise zu verlassen und neuartige Mobilitätskonzepte für Ballungsräume schaffen zu wollen. Wir sind also mit einem Smart Cabrio und dem C1 in Münchens Innenstadt unterwegs, kaufen Getränke ein und drehen zudem in der nachmittäglichen Rush-hour eine Runde auf dem Mittleren Ring.

Bei Stau im Vorteil

Erster Teil der Aufgabe: einmal um den Münchner Altstadtring. Solange der Verkehr auf der zwei- bis vierspurigen Strecke im Stadtzentrum flüssig ist, gewinnt der C1-Fahrer keinen Meter, der Smart ist stets gleichauf. Ein unverhoffter Baustellen-Stau ändert die Situation: Die insgesamt 4,8 Kilometer bewältigt der C1-Fahrer in zehn Minuten, der Smart kommt fünf Minuten später. Fahrerwechsel, Gegenkontrolle. Der Baustellen-Stau ist jetzt weg, Smart und C1 absolvieren die 4,8-Kilometer-Runde zeitgleich.

Wie sieht es mit dem Transportvolumen aus? Der C1 besitzt die auf Sonderwunsch (und gegen einen kräftigen Mehrpreis von 630 Mark) erhältliche Staubox; ihre Montage am Fahrzeugheck ist einfach. Ein Träger Mineralwasser oder Bier passt leicht hinein, dazu noch Krimskrams. Oder ein gesamter Wochenendeinkauf. Getränkekisten müssen allerdings hoch gestemmt werden.

Das Smart Cabrio mit komplett geöffnetem Verdeck und abmontierten Dachholmen packt zwar locker zwei Getränkekisten im Kofferraum, doch muss er zunächst leicht umgebaut werden. Denn das unten eingerastete Verdeck lässt nicht mehr ausreichend Spielraum für die genormten Träger. Man könnte sie zwar leicht schräg hineinbugsieren, doch viel leichter tut man sich, wenn das untere Verdeckteil angehoben wird, oder nur das Faltdach geöffnet ist. Kapazitätsprobleme hat der Smart in kaum einem Fall. Praktisch ist auch ein Schaumstoffband, das man am Kofferraumboden ankletten kann. So lassen sich auch Einkaufstüten, Blumentöpfe und alles andere, was leicht umfällt, stabilisieren.

Jemanden mitnehmen - das ist beim C1 ein echtes Problem. Ist die Gepäckbox montiert, geht gar nichts. Ist statt dessen das Sitzpolster auf dem Heckbürzel angebracht, darf ein (helmbewehrter) Sozius auf dem "Schwiegermuttersitz" Platz nehmen. Spaß dürfte es freilich nicht machen, die Fahrerkabine zu umarmen - wir konnten dieses waghalsige Manöver zwar selbst nicht ausprobieren, doch konnten wir eine junge Frau beobachten, die sichtlich missmutig hinten auf dem C1 klemmte - und gegen die Rückansicht des C1 stierte.

Essen und Trinken während der Fahrt? Im C1 sind die Möglichkeiten beschränkt: Kaugummi kauen funktioniert prächtig, aber dann ist Schluss. Auch der Griff zum Handy-Halter am Armaturenbrett setzt umgehendes Anhalten voraus, denn einhändiges Fahren eines Zweirades geht nicht lange gut.

Bei Passagierbetrieb und Verköstigung während der Fahrt ist der Smart naturgemäß im großen Vorteil. Zwar wird ihm immer vorgeworfen, dass er ja schließlich nur zwei Sitze habe, aber dafür sind diese vollwertig und der Beifahrer hat die gleichen Annehmlichkeiten wie der Fahrer. Außerdem kann selbstverständlich auch der Beifahrersitz als Stauraum genutzt werden. Auf Grund der Allwettertauglichkeit des Smart Cabrios steht auch den üblichen Tätigkeiten wie Essen, Trinken, Plaudern und vor allem Musik hören nichts im Wege.

Die 28-Kilometer-Runde auf Münchens Mittlerem Ring - die Strecke ist zwei- bis dreispurig ausgebaut, diverse Ampeln sorgen für Rückstaus - verläuft über 80 Prozent der Strecke eintönig: Der Verkehr fließt trotz Rush-hour am Testtag unerwartet gut, und so lange er nicht richtig dicht wird, bleibt es beim Unentschieden zwischen den Kontrahenten. Ein einziger nennenswerter Stau verhilft dem C1 zu insgesamt sieben Minuten Vorsprung; bei 35 Minuten Fahrzeit nicht gerade die Welt. Freilich muss man hier darauf hinweisen, dass viel Zweiraderfahrung und auch geistige Wendigkeit erforderlich sind, um im sehr dichten Verkehr Lücken zum Vorwärts kommen zu nutzen.

Parken fällt mit dem C1 leicht: Selbst in der am dichtesten verparkten Innenstadt-Gegend findet sich im unmittelbaren Bereich des anvisierten Zieles ein seriöser Abstellplatz (zumindest so lange es noch nicht allzu viele C1 gibt). Eine Zigarettenlänge Differenz zum Smart ist hier schnell "herausgeparkt".

Hierbei hat der Smart in der Tat das Nachsehen, denn selbst, wenn man einen legalen Parkplatz gefunden hat, schlägt doch gerade in der Innenstadt das Parken munter auf den Geldbeutel. Da hilft es auch nicht, dass das Cabrio nur 2,50 Meter in der Länge misst, denn der Politesse ist es egal, ob der Parkschein in einem kurzen oder einem langen Auto liegt. Und trotz netter Optik des Wagens gibt es kein Verständnis dafür, wenn der Smart sich quer zur üblichen Parkrichtung in eine schmale Lücke stellt - das Strafmandat ist programmiert.

Das Unterhaltungsangebot des C1 ist schnell aufgelistet: Nonverbale Kommunikation mit Passanten und Autofahrern dominiert. Als lästig wird die große Lautstärke des Triebwerks empfunden: Ein (geräuschabsorbierender) Helm wird ja bekanntlich nicht getragen.

Für das Smart Cabrio scheint die Großstadt das richtige Pflaster zu sein, denn es ist nicht nur bei ersten Sonnenstrahl schnell geöffnet, sondern es scheint bei vielen Staugenossen für gute Laune zu sorgen. "Putzig, nett, witzig und originell" sind nur einige der Attribute, die man dem Smart Cabrio zuschrieb. Und auch der Preis von 22 190 Mark scheint nicht viele abgeschreckt zu haben. Im Vergleich zum C1 ist es zwar das Doppelte, doch hat man auch doppelte so viele Sitzplätze und Reifen.

Wie könnte nun das Fazit des Tages lauten, an dem Smart Cabrio und BMW C1 in den Mittleren Ring traten, um ihre Vorzüge unter Beweis zu stellen? In mancher Hinsicht verhält es sich schon wie bei Äpfel und Birnen. Auto und Zweirad - beide haben naturgemäße Vorteile und Nachteile. Entscheidender ist, wer wofür die Fahrzeuge nutzen möchte. Wer hauptsächlich alleine immer die selben Strecken in Ballungszentren zurücklegt, keine Scheu vor Wind und Wetter hat, ist mit dem C1 gut bedient. Denn seine Wendigkeit und einfache Parkplatzsuche verschafft ihm schon einen Vorteil gegenüber einem Auto. Wer sich dagegen grundsätzlich auf einem Zweirad nicht wohl fühlt, hat mit dem Smart Cabrio einen kleinen Stadtwagen, der ihn witterungsunabhängig und mit einer realistischen Chance auf einen Parkplatz sicher auch außerhalb der Städte befördert.

Und eins hat der Tag klar gezeigt: Einen Sieger gibt es bei diesem Vergleich nicht, denn Überlegenheit ist eben relativ.

Von Ulf Böhringer und Marion Zellner

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