Verband zählt 340 Millionen Schwarzfahrten im Jahr:Schwarzfahrer warnen sich per Internet

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Immer mehr Menschen nutzen den öffentlichen Nahverkehr - und immer mehr Fahrgäste weigern sich, dabei regulär zu bezahlen. Neu ist, dass sich die Schwarzfahrer über das Internet organisieren und sich so gegenseitig vor Kontrolleuren warnen. Nun schlägt der Verband deutscher Verkehrsunternehmen Alarm und fordert Strafen von bis zu 120 Euro.

Daniela Kuhr

Autofahrer kennen sie schon lange: Warnmeldungen von Radiosendern, auf welchen Straßen gerade geblitzt wird und wo man deshalb besser den Fuß vom Gaspedal nehmen sollte. Die Meldungen sind ebenso beliebt wie umstritten - legen sie doch nahe, dass zu schnelles Fahren nur ein Kavaliersdelikt sei.

Fahrscheinkontrolle (Archiv): 340 Millionen Schwarzfahrten im Jahr (Foto: picture-alliance / dpa)

Ein ähnlicher "Service" ist jetzt im Internet für Schwarzfahrer in Bus und Bahn entstanden: Man beobachte zunehmend, dass sich Fahrgäste über soziale Netzwerke gegenseitig vor Fahrscheinkontrollen warnten, beklagte der Hauptgeschäftsführer des Verbands deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Oliver Wolff. Vor allem das fehlende Unrechtsbewusstsein verwundert ihn. "Jetzt ist es also schon so weit, dass potentielle Schwarzfahrer sich online öffentlich helfen und organisieren. So wird das Fahren ohne gültigen Fahrausweis in der öffentlichen Wahrnehmung verharmlost."

Der Verband schätzt, dass jährlich rund 3,5 Prozent aller Bus- und Bahnnutzer schwarzfahren. Vor vier Jahren seien es noch rund zwei Prozent gewesen. Das heißt, es gibt inzwischen etwa 340 Millionen Schwarzfahrten im Jahr. "Es ist also ein deutlicher Anstieg und zeigt, dass die Abschreckungswirkung gerade für notorische Schwarzfahrer höher werden muss", sagte ein VDV-Sprecher. Den Nahverkehrsunternehmen entgingen dadurch pro Jahr bis zu 250 Millionen Euro an Einnahmen.

Hinzu kämen Kosten in Höhe von 100 Millionen Euro für den Einsatz von Kontrollpersonal. "Das sind 350 Millionen Euro, die die Verkehrsunternehmen jedes Jahr kompensieren müssen", sagte Verbands-Geschäftsführer Wolff. "Die Zeche dafür zahlen am Ende die ehrlichen Kunden durch höhere Fahrpreise, die Kommunen durch höheren Defizitausgleich und die Verkehrsunternehmen durch geringere Einnahmen."

Der Verband forderte Bund und Länder auf, die bestehenden Rechtsverordnungen so anzupassen, dass man in Zukunft deutlich höhere Strafzahlungen verlangen könne: Statt der 40 Euro, die derzeit im Fall des Erwischens maximal fällig werden, sollen die Kontrolleure künftig bis zu 60 Euro verlangen können. Bei Wiederholungstätern sollen sogar bis zu 120 Euro fällig werden.

Anders als beispielsweise Paris oder New York, wo die U-Bahn mit Drehkreuzen abgesperrt ist, habe Deutschland ein "offen zugängliches Bus- und Bahnsystem", sagte Wolff. "Wer dies durch vorsätzliches Fahren ohne gültigen Fahrausweis missbraucht, begeht eine Straftat und schadet damit den ehrlichen Fahrgästen." Er betonte, dass auch er kein Interesse daran habe, Menschen, die erstmals auffallen, mit "übertrieben hohen Sanktionen" zu überziehen. Doch gehe es "um diejenigen, die knallhart kalkulieren", sagte Wolff. Einige stellten die Überlegung an: Für 40 Euro, da könne man im Schnitt 16 Mal schwarz fahren, und es habe sich trotzdem gelohnt.

Derweil steigen immer mehr Menschen auf Busse und Bahnen um. Im vergangenen Jahr haben 9,7 Milliarden Fahrgäste den öffentlichen Nahverkehr genutzt. Das entspricht einem Plus von 0,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In den vergangenen zehn Jahren sei die Zahl der Fahrgäste damit um acht Prozent gestiegen. "Und wir gehen von weiterem Wachstum aus", sagte VDV-Präsident Jürgen Fenske.

Vor allem in Großstädten seien Busse und Bahnen gefragt. Grund seien ein größeres ökologisches Bewusstsein sowie steigende Benzinpreise. "Zugleich arbeiten wir immer weiter an der Barrierefreiheit und gewinnen zunehmend auch ältere Menschen für den öffentlichen Nahverkehr", sagte Fenske. Auch machten weniger junge Menschen einen Führerschein.

Insofern ist es nur logisch, dass auch die Erträge der Unternehmen gestiegen sind: Der subventionierte Nahverkehr decke über die Fahrpreise mittlerweile 77 Prozent seiner Betriebskosten selbst.

© SZ vom 02.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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