Trotz Kindersitzen:Gefahr von der Seite

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Wissenschaftler haben über vier Jahre hinweg reale Unfälle mit Kindern im Auto rekonstruiert, um mehr über viele Verletzungen herauszufinden. Die Ergebnisse sind Besorgnis erregend.

Kinder sind auch im Kindersitz schlecht gegen Seitenaufprall-Unfälle geschützt. Auf der Rücksitzmitte sitzen sie am sichersten.

Sorgfalt kann Leben retten: Oft kommt es entscheidend darauf an, wie die Kindersitze am Auto und wie die Kinder in den Sitzen befestigt sind. (Foto: Foto: adac)

Das ist eines der Ergebnisse eines europäischen Forschungsprojekts zur Erhöhung der Sicherheit von Kindern im Auto, das an der Technischen Universität (TU) Berlin kurz vor dem Abschluss steht.

Festgestellt wurde auch, dass die Fehlbedienung von Kindersitzen nach wie vor eine der Hauptursachen für Verletzungen ist.

Machtloses Gesetz

Die Anforderungen an einen Kindersitz bei Seitenaufprall-Unfällen seien nicht gesetzlich geregelt, sagte Sebastian Weber, einer der an dem Projekt beteiligten Ingenieure. Ein Kindersitz, der alle Genehmigungsprozesse durchlaufen hat, muss daher nicht gegen Seitenaufprall schützen.

Allerdings bauten zahlreiche Hersteller als Reaktion auf die Verbrauchertests trotzdem Seitenaufprallschutz in ihre Sitze ein. Das gefährlichste Phänomen, nämlich das Eindringen der Fahrzeugstruktur ins Innere, werde aber in aller Regel nicht untersucht.

Die Wissenschaftler beschäftigten sich vier Jahre lang mit der Rekonstruktion realer Unfälle mit Kindern im Auto, um herauszufinden, was die Verletzungen der kleinen Verkehrsteilnehmer wirklich hervorgerufen hat.

In Deutschland kommen mehr als die Hälfte aller im Straßenverkehr getöteten Kinder im Auto ums Leben, 28 Prozent als Fußgänger und 15 Prozent als Radfahrer.

Neues Baby-Dummy

Unter anderem entwickelten die Forscher dazu ein neues Baby-Dummy, das die anatomischen Besonderheiten des Kleinkindkörpers bei Messungen berücksichtigt.

Ein normaler Beckengurt beispielsweise wird bei einem Kind nicht wie beim Erwachsenen durch den Beckenkamm gehalten, sondern kann in ungünstigen Fällen die Weichteile erheblich verletzen. Auch für den Bauchbereich entwickelte die TU eine Art Sensorkissen.

Auf einer eigenen Crash-Test-Bahn stellten die Wissenschaftler Unfälle mit denselben Autotypen nach, die am Original-Unfall beteiligt waren.

"Unglaublich hohe Fehlbedienungsraten"

Unter anderem fanden sie heraus, dass es oft entscheidend darauf ankommt, wie die Kindersitze am Auto und wie die Kinder in den Sitzen befestigt sind - ganz abgesehen von der jeweiligen Qualität der Sitze. Der Leiter des Projekts, Volker Schindler, sprach von "unglaublich hohen Fehlbedienungsraten".

Eine gewichtige Rolle spielt darüber hinaus, welcher Sitz in welches Auto eingebaut wird. Weber meinte, am besten wäre es, wenn die Autohersteller mit den Sitzherstellern zusammenarbeiteten und aufeinander abgestimmte Sitze entwickelten. Er schränkte aber ein, dass das aus wirtschaftlicher Sicht wahrscheinlich nicht zu verwirklichen wäre.

"Der beste Platz ist hinten in der Mitte", sagte Weber.

Aber nicht immer würden Autohersteller diesen Platz für Kindersitze freigeben.

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