Triumph Tiger:Ein Tiger, der Krallen zeigt

Lesezeit: 2 min

Der Dreizylinder-Motor verfügt über 85 PS Leistung

(SZ vom 31.05.1995) Mann, ist das ein Trumm Motorrad! Die erste Sitzprobe der so prächtig und mächtig aussehenden Triumph Tiger läßt schon ahnen, daß kein Ritt auf einem trippelnden Eselchen bevorsteht, sondern Heftigeres auf den Reiter zukommt. Nach 2500 Kilometern auf Pyrenäen-Straßen und -Wegen die Gewißheit: Die Tiger ist insgesamt gelungen, aber nicht für jedermann und nicht für jederfrau geeignet. Wer unter 1,80 Meter groß und/oder eher zart gebaut ist, tut sich schwer.

Eine Enduro ist die Tiger nicht: Sowohl Sitzposition wie Vorderradgröße und Reifenauslegung sprechen gegen größere Gelände-Ambitionen, das Gewicht liegt mit 255 Kilogramm auf ebenso hohem Niveau wie der Schwerpunkt des Bikes. Idealer Einsatzzweck: Fernreisen sowohl auf Schnellstraßen wie auf kleinen und winkligen Routen. Denn die Tiger gibt sich trotz großer Masse keineswegs störrisch, sondern läßt sich - einmal im Rollen - leicht manövrieren. Das Fahrwerk kann trotz guten Handlings insgesamt nicht hundertprozentig gefallen: Die vordere Gabel ist zu weich abgestimmt, sie taucht schon beim Gaswegnehmen kräftig ein, erst recht aber beim Bremsen. Dabei dürften die vorderen Stopper ruhig ein wenig bissiger ausfallen; im Gegenzug blockiert die hintere Scheibe allzu schnell.

Voll auf der Höhe ist die Tiger jedoch auf dem Motorsektor: Der Triumph-Drei- Zylinder ist ein Muster an Kraft und Laufkultur; wie vom Gummiseil gezogen treibt der 63 kW (85 PS) starke 900er Motor Roß und Reiter nach vorne - Schub ohne Ende. Die Ernüchterung folgt nach schneller Fahrt an der Tankstelle: Sind Tempi von mehr als 140 km/h im Spiel (die Spitze liegt bei mehr als 200 km/h) und gar noch Koffer montiert, fallen regelmäßig sieben bis neun Liter pro 100 Kilometer an; bei tourengemäßer Fahrt kommt man auch mit weniger als sechs Liter zügig voran. Das Sechsganggetriebe ist leicht und präzise schaltbar.

Gute Erfahrungen machten wir mit der Sitzposition (wobei die Lenkerkröpfung jedoch zu Handgelenksschmerzen führen kann), der ordentlichen Verkleidung und der vollständigen Ausstattung des Cockpits: Warnblinkanlage, Zeituhr, Zentralschloß - alles da und sinnvoll angeordnet. Zwei Schönheitsfehler: Die Tachometer- Skalierung ist unübersichtlich, die Kontrolleuchten sind nur in mondlosen Nächten erkennbar.

Obwohl die von Triumph angebotenen 36-Liter-Givi-Koffer (Aufpreis inklusive Topcase 1460 Mark) das Fahrzeug beinahe auf Lkw-Format verbreitern, stellen sie einen guten Kauf dar: Das Gepäcksystem ist durchdacht, extrem robust und phantastisch leicht bedienbar. Einen Schönheitspreis heimst die kofferverunzierte Tiger nicht ein; die Fußfreiheit des Mitfahrers wird ebenfalls eingeengt.

Fazit: Für 18 415 Mark gibt es ein starkes Bike mit Traum-Motor, relativ großem Durst und guten Reitqualitäten. Wer mit den kleinen Mankos der Tiger leben kann (oder sie in Eigenregie beseitigt), wird durch viele bewundernde Blicke belohnt.

Von Ulf Böhringer

© N/A - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: