Triumph Thunderbird:Für Freunde der reinen Lehre

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Die 18 415 Mark teure Maschine bietet viel Fahrspaß

(SZ vom 07.06.1995) Mit dem historischen Namen Thunderbird versehen, wird seit kurzem vom englischen Hersteller Triumph eine klassische Variante mit dem 900-Kubikzentimeter-Dreizylindermotor aufgelegt, die - soweit es das zugrunde liegende Baukastensystem zuläßt - bei Liebhabern der reinen Lehre vom Motorrad schlagartig glänzende Augen hervorruft. Fazit ausgiebiger Beschäftigung mit dem Donnervogel: Die Thunderbird macht nicht nur beim Anschauen Freude.

Attraktion Nummer eins ist das Outfit dieses Motorrads. Es gibt statt Plastik lackiertes Blech und Chrom, dazu Speichenräder, eine Sitzbank mit klassischer Linienführung, die wunderbar gezeichnete Auspuffanlage, das Emblem an den Tank-Flanken, die stilistisch sauberen Instrumente mit den kreisrunden Löchern für die Kontrolleuchten.

Enttäuschung Nummer eins stellt sich kurz nach dem problemlosen Starten des wassergekühlten Dreizylindermotors per Elektroanlasser ein: Wir hören nur etwas Geräusch, keinen Sound. Der in den Modellen Trident und Tiger bewährte Dreizylindermotor wurde für den Einsatz in der Thunderbird auf 51 kW (70 PS) gestutzt; die Motorcharakteristik mit viel Dampf 'unten herum' paßt prima zu dem unverkleideten Motorrad. Genüßliches schaltarmes Dahinfahren zwischen Tempo 70 und 120 - das ist ihre Domäne.

Enttäuschung Nummer zwei stellt die Kraftübertragung dar: Insbesondere das ausgeprägte Lastwechselrucken macht es nicht einfach, in Kurven einen sauberen Strich zu fahren. Wobei die 900er ansonsten durchaus kurvenwillig und handlich ist. Die Bremsen reichen vollkommen aus, das hintere Federbein verkraftet eine Soziusmitnahme jedoch nur unvollkommen. Die recht hart abgestimmte Federung paßt gut zum Erscheinungsbild der Thunderbird . Längere als halbtägige Touren, speziell bei flotterem Tempo auf zweit- oder drittklassigen Straßen, werden aber als Härtetest empfunden.

Weil die Verarbeitungsqualität sehr ordentlich ist und die Ausstattung mit (bis Tempo 120) hervorragenden Spiegeln, Warnblinkanlage und gutem Licht stimmt, fällt es uns leicht, über die nur des Nachts erkennbaren Kontrolleuchten hinwegzusehen. Daß der Haltegriff für den Sozius aufpreispflichtig ist, stört, und daß ein Hauptständer nicht einmal gegen Zusatzkasse lieferbar ist, ärgert.

Natürlich werden ab Tempo 120 die Arme lang; das ist normal und hilft, den Benzinverbrauch zu drosseln: Die Thunderbird braucht dann nicht mehr als sechs Liter Superbenzin. Die sich auf diese Weise einstellende Tempo-Begrenzung ist auch wegen des mäßigen Geradeauslaufs vorteilhaft: Ab etwa 140 km/h kam nämlich merklich Unruhe ins Michelin-bereifte Fahrwerk der Testmaschine. Den Topspeed-Bereich (Vmax soll 190 km/h sein) suchten wir nicht auf, wozu auch. Denn ThunderbirdFahren ist ein Vergnügen der besonderen Art - Tempobolzen gehört ganz sicher nicht dazu. Idealer Einsatzzweck ist der stilvolle Ausflug gutbetuchter Leute - der Preis liegt bei immerhin 18 415 Mark - zu schönen Fleckchen dieser Erde; die Straßen dorthin sollten aber möglichst gut asphaltiert sein.

Von Ulf Böhringer

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