Transport auf drei Rädern:Tempo gemacht

Von der Gesetzesnovelle bis zur Mindestgeschwindigkeit: Eine Ausstellung im Hamburger Museum der Arbeit erinnert an den Erfolg des Dreirad-Lieferwagens.

Hendrik Feindt

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Von der Gesetzesnovelle bis zur Mindestgeschwindigkeit: Eine Ausstellung im Hamburger Museum der Arbeit erinnert an den Erfolg des Dreirad-Lieferwagens.Von Hendrik FeindtWenn Kinder in den Zeiten des Wirtschaftswunders den Quiz-Eifer der Älteren nachahmten, kam nicht selten die Frage: "Was hat fünf Buchstaben und drei Räder?" Und prompt folgte die Antwort: "Der Tempo". Da aber hatte das Automobil seine Jahre der Blüte bereits geraume Zeit hinter sich.Wie so häufig steht am Beginn auch dieser Erfolgsgeschichte eine Steuerreform. Für Max Vidal, Besitzer einer Kohlenverladeanlage in Hamburg, war es im Jahre 1928 eine Reihe von Neuregelungen des "Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen". Es ging um motorbetriebene Fahrzeuge, die "auf nicht mehr als drei Rädern laufen" und deren "Eigengewicht in betriebsfertigem Zustand 350 kg nicht übersteigt". Sie galten von nun an als steuerbefreit und durften ohne Führerschein gefahren werden.Im Bild: Tempo Hanseat, 1959 - Familie Becker macht Urlaub in Krusendorf an der Ostsee.Foto: Tempo-Archiv Museum der Arbeit

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Hintergrund der Gesetzesnovelle waren die Aufbauwünsche nach den kriegsbedingten Reparationszahlungen und den Jahren der Inflation. Doch was der Ökonomie des Landes fehlte, waren Fahrzeuge, die den Bedarf von Kleinunternehmen, des Einzelhandels und von Handwerksbetrieben, effizient erfüllten: Es mangelte an Klein- und Kleinstlastern, die vor allem den innerstädtischen Transport und den Warenumschlag zwischen den Metropolen und ihren Vorstädten bewältigten.Im BIld: Tempo Hanseat Pritschenwagen, ca. 1949 - in Hamburg vor Tempo-Ausstellungsraum am Ballindamm.Foto: Tempo-Archiv Museum der Arbeit

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Wie Max Vidal und sein Sohn Oscar aus dieser Situation Kapital schlugen, zeigt noch bis zum 1. Juni eine aus Firmenarchivalien und Privatdokumenten sowie mit sechs Originalfahrzeugen bestückte Ausstellung im Museum der Arbeit in Hamburg. Vidal verkaufte sein Kohlegeschäft und erwarb die Tempo-Werk GmbH, eine zunächst recht unbeholfen anmutende Fahrzeugmanufaktur. Aber mit der Anwerbung zweier Ingenieure von der Konkurrenz - Otto Daus von der Rollfix Eilwagen GmbH in Hamburg-Wandsbek sowie Diedrich Bengst von Carl F. W. Borgward in Bremen - gelang es, ein Erfolgskonzept zu schmieden.Im Bild: Tempo Hanseat, 1952 - Ostersternfahrt des Oldenburger Motorsportclubs, 3700 Kilometer in drei Tagen schafften die Mannschaftssieger um Erich Landahl aus dem Tempo-Instandsetzungsbetrieb mit ihren drei Tempo-Hanseaten, Hamburg - München - Hamburg - Oldenburg.Foto: Tempo-Archiv Museum der Arbeit

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Schon nach sechs Jahren wurde eine neue, 5000 Quadratmeter große Fertigungsanlage in Hamburg-Harburg bezogen. Überwiegend hergestellt wurden Dreirad-Kleinlieferwagen. Bis 1937 waren es 25.000 Stück, vier Jahre darauf bereits 50.000. Das 100.000. Fahrzeug wurde im Juli 1950 ausgeliefert. Tatsächlich konnte Vidal & Sohn den britischen Besatzungsbehörden mit Erfolg verschleiern, dass die Firma während des Nationalsozialismus an Rüstungsaktivitäten wie dem Transport von V2-Raketen beteiligt gewesen war.Im Bild: Tempo-Hanseat, 1952 - in Ägypten vor Pyramiden.Foto: Tempo-Archiv Museum der Arbeit

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Den Anfang hatten 1928 die Vorderlader gemacht. Die Tempo-Eilwagen T1, T2 und der Tempo Pony, noch mit einer Lenkstange versehen, wurden an der einrädrigen Hinterachse angetrieben; die Motorleistung von fünf PS erlaubte Geschwindigkeiten von immerhin "6-40 km die Stunde". 1933, mit den Modellen der Serie F - der Buchstabe stand politisch zeitgerecht für "Tempo Front" -, vollzogen die Entwickler eine Kehrtwende um 180 Grad. Der Antrieb wurde nach vorne verlegt. Über dem Rad lag, wie es in den Prospekten hieß, der "vollkommen verkleidete Motor", dessen Leistung mittlerweile auf sechs bis 14 PS gesteigert werden konnte; dahinter befand sich eine geschlossene Führerkabine aus "Ganzstahl". Dieses Modell, in den Zeiten der westdeutschen Nachkriegsjahre recht bürgerlich mit Tempo Hanseat betitelt, war es, das noch bis 2000 im indischen Pune bei Mumbai gefertigt wurde.Im Bild: Werbeaufnahme Tempo T6 und Matador, 1953 - Diese Werbeaufnahme schmückte auch die Ausgabe September/Oktober vom Tempo-Magazin 1953. Sie ist anlässlich des 25-jährigen Jubiläums gemacht worden und zeigt den ersten im Werk gebauten T6 Wagen und einen Matador Luxusbus.Foto: Tempo-Archiv Museum der Arbeit

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Vermutlich beruhte der Clou des Tempo darauf, dass nichts so sinnbildlich für Sparsamkeit und Effizienz stand wie der Transport auf drei Rädern. Und an dem euphemistischen Namen - er gehorchte dem Geschwindigkeitspostulat der Moderne - störte sich offenbar lange Zeit keiner. Buchstäblich überholt wurde der Tempo erst im Zeitalter der vorgeschriebenen Mindestgeschwindigkeiten auf den Autobahnen; sie traten 1953 in Kraft. Der Dreirad-Lieferwagen musste seine Funktion des Lastentransportes an die größeren und mächtigeren Kollegen abgeben - in den Harburger Tempo-Werken verlagerte sich die Produktion auf den vierrädrigen Eintonner Matador. Die Firma wurde bald von der Hanomag-Rheinstahl (später Hanomag-Henschel und schließlich Daimler-Benz) übernommen.Tempo! Auf 3 Rädern durch die Stadt; Museum der Arbeit; Wiesendamm 3, Hamburg; bis zum 1. Juni 2009; weitere Infos: www.museum-der-arbeit.de.(SZ vom 18.05.2009/jw)Im Bild: Werbeprospekt "Matador 1000, der moderne wirtschaftliche 1 Tonner", 1954 .Foto: Tempo-Archiv Museum der Arbeit

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